International Braille Chess Association

                Die Geschichte der Organisation

Zusammengestellt  und mit  überleitenden Texten  versehen  von

                       Hans-Gerd Schäfer

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                       K A P I T E L  II


                   Die Grundvoraussetzungen
                   ÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍÍ

Die Definition von sportlicher Leistung für den Menschen ist
also - soweit sie wie gewohnt mit Bewegung verbunden ist - etwas
schwierig. In dieser Beziehung sind wir eben keine Spezialisten.
Dafür haben wir aber die Fähigkeit erhalten, uns die notwendigen
oder auch erwünschten Prothesen zu schaffen.

Worin wir nämlich allen anderen Lebensformen weit überlegen
sind, das sind eben diese typisch menschlichen Eigenschaften.
Sie werden auch genutzt. Die Freude am Lernen ist bei Kindern
immer wieder faszinierend; von ihnen wird Wissen regelrecht
aufgesaugt wie Wasser von einem Schwamm. Es gibt auch eine
Unzahl von Vergleichsmöglichkeiten auf diesem Gebiet. Nur mit
®Sport¯ bringt man das im allgemeinen nicht in Verbindung. Warum
eigentlich nicht? Wissen Speichern, Kombinieren und Schlüsse
Ziehen ist doch etwas zu tiefst Menschliches, etwa so wie wir
spezielle Arten der Bewegung ganz bestimmten Tierarten zuordnen.

Voraussetzung für eine gezielte Bewegung ist immer die Erkennung
des Ziels. Wenn das nicht oder nicht mehr gegeben ist, kann
Sport, der letztlich in dem überkommenen Sinne immer mit
gezielter Bewegung verbunden ist, nur noch sehr beschränkt
ausgeübt werden. Wer somit durch Krieg, Unfall oder Krankheit
seiner Sehkraft beraubt wurde oder in dieser Hinsicht schon
vorgeburtliche Schädigungen erlitten hat, ist gezwungen, andere
Fähigkeiten zu suchen, andere Sinne zu stärken und zu entfalten,
die seinen speziellen Gegebenheiten entsprechen; denn die
geschichtlich geprägten Instinkte sind selbstverständlich auch
in solchen Menschen virulent.

Während nun Schallwellen - in jedem Falle - wie auch optische
Reize - sofern sie in unserem Gesichtsfeld liegen - in einem
gewissen Sinne passiv aufgenommen werden, ist der Tastsinn eine
Wahrnehmung, die unbedingt Aktivität verlangt. Optische
Schwächen können mit einer Brille, akustische Unzulänglichkeiten
mit Hörgeräten gemildert oder ausgeglichen werden; es gibt
allerdings keinerlei Hilfsmittel für den Tastsinn, einmal
abgesehen von bestimmten möglichkeiten, das Tastfeld mittels
eines Stockes zu erweitern. Aber hierdurch sind nur ganz grob
Anhaltspunkte zu erhalten. Die individuelle Entwicklung des
Tastsinnes ist im wesentlichen davon abhängig, wie intensiv er
geschult wurde und trainiert wird. Es wird zwar niemals
erreichbar sein, daß man einem Blindgeborenen begreifbar macht,
was Farben sind und warum sie eine so große Bedeutung im
alltäglichen Leben haben; aber das sind Defizite, die lediglich
derjenige beurteilen kann, der über das Sehvermögen selber zuvor
gelernt hat, worin der Verlust besteht. 

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Vorstellungsvermögen. Der
Taststock, der die Bahnsteigkante entlang-fährt, läßt den Körper
weitgehend ungeschützt. Der Blinde stellt sich vor, daß der
Bahnsteig - zumindest in der Nähe des einlaufenden Zuges - keine
größeren hindernisse enthalten darf. Die Ordnung der Dinge ist
- im häuslichen Bereich wie auch in öffentlich zugänglichen
Räumen - notwendiger und wesentlicher Bestandteil der
Lebensführung eines Blinden und hochgradig Sehgeschädigten. Ein
anderes Beispiel: Das begreifen eines mittelalterlichen
gothischen Domes kann nur durch das Abtasten - im wahrsten Sinne
des Wortes ®Begreifen¯ - der einzelnen gothischen oder
romanischen Elemente, die eventuell im Schnitzwerk der Kanzel
oder des Chorgestühls, im Zierat der Eingangstür, in Tür- oder
Bilderrahmen oder in anderen Schmuckelementen, die sich
selbstverständlich im Bereich der ®tastenden Hand¯ befinden
müssen, vorhanden sind und fast immer mit Hilfe einer
Begleitperson gefunden werden können, wie natürlich durch
Abschreiten der Räumlichkeiten von einem Blinden oder hochgradig
Sehgeschädigten geschehen. Der Rest muß dem individuellen
Vorstellungsvermögen überlassen bleiben.

Natürlich wird die Fähigkeit, sich etwas vorzustellen -
innerhalb wie außerhalb begrenzter Räumlichkeiten - auch von
reflektierten Schallwellen beeinflußt - manchmal sogar bestimmt,
deren Überlagerung durch andere zivilisationsbedingte Geräusche
fatale Folgen für die Orientierung haben kann, wobei das
Hörvermögen - vor allem innerhalb vertrauter Hörmuster - eine
wichtige Rolle spielt. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß das
Erfassen vieler Dinge aus der alltäglichen Umgebung somit zwar
nicht auf den Status einer Denksportaufgabe reduziert ist, aber
doch ganz offensichtlich vieles damit gemeinsam hat.

Beim Denksport ist allgemein Bewegung zwar nicht überflüssig,
sie kann aber zu dem reduziert werden, was Sport sein sollte:
Ein Mittel, den Körper als unvermeidlich notwendige Bedingung
für die Funktion des Gehirns in möglichst gutem Zustand zu
erhalten. Bewegung, die die fähigkeiten des Körpers ausreizt,
ist Voraussetzung für geistige Arbeit und damit auch für den
spielerischen Wettbewerb auf diesem Gebiet.

Weil die körperliche Selbstdarstellung Blinden und hochgradig
Sehgeschädigten nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zur
Verfügung steht, sind für Blinde und hochgradig Sehgeschädigte
Spiele - Karten- und Brettspiele, vor allem natürlich Schach
wegen der nahezu unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten - eine
ganz wichtige Art der Selbstverwirklichung. Dieses Wort wirkt
zugegebenermaßen etwas abgegriffen; es gibt aber wohl kaum eine
bessere Bezeichnung für das, was hier gesagt werden soll. 

Wenn Blinde und hochgradig Sehgeschädigte das Schachspielen erst
mit zeitlich erheblicher Verzögerung zu ihrem Spiel machen
konnten, so hat dies ganz sicher in der bis weit in das
zwanzigste Jahrhundert reichenden traditionellen Stellung
Blinder wie auch anderer Behinderter am Rande der Gesellschaft
seine Ursache. Erst mit der - wenn auch anfangs noch sehr
beschränkten - beruflichen Einbezihung und integrierung in die
Gesellschaft, wesentlich bedingt durch die Erfindung der
Punktschrift durch Louis Braille (1809-1852), der schon als
Kleinkind im Alter von drei Jahren durch einen Unfall das
Augenlicht verlor, und die Entwicklung technischer Hilfsmittel
für Blinde, konnte nunmehr auch der Blinde am gesellschaftlichen
Leben teilnehmen und somit auch auf vielen Gebieten des Sports
aktiv werden.

Schach war für Blinde genau das richtige! Diese Sportart, in der
er sich auch in gewisser Weise mit dem sehenden Sportsfreund
messen kann, bot sich geradezu an. So war es denn auch nur eine
Frage der Zeit, daß auch Blinde begannen, sich in Schachgruppen
oder Klubs zu organisieren, wobei anfangs selbstverständlich
vielfach die Blindenschulen Pate standen.

Beim Schachspielen werden Abenteuer auf eine Ebene verlagert,
die für Blinde und hochgradig Sehgeschädigte erfahrbar -
begreifbar ist und nachempfunden werden kann.

Tasten und informative Reize aufnehmen kann man zwar auch mit
Füßen und allen anderen Körperteilen. Vor allem wichtig für die
Aufnahme von Informationen sind aber in erster Linie die Hände
und - noch enger gefaßt - die Finger. Ja es ist sogar
festzustellen, das die meisten Informationen über den
Zeigefinger einer Hand aufgenommen werden, über die Fingerkuppe
und da über nur wenige Quadratmillimeter Hautoberfläche, die
dafür genau an dieser Stelle auch sehr dicht mit Tastsensoren
ausgestattet ist - etwa 35 Tastkörperchen pro Quadratmillimeter.
Das blinde Kind lernt diese physische Besonderheit nutzen; es
lernt in der Schule ausschließlich mit Hilfe dieser Fähigkeit,
dem Tastsinn, lesen. Die Reichweite der Arme begrenzt das
Erfassen räumlicher Zusammenhänge und das direkte Abschätzen von
Größen und Größenverhältnissen. Hier werden die Sensibilitäten
antrainiert, die dem Blinden und Sehgeschädigten ein Leben lang
erhalten bleiben sollen. Aus diesem Grunde ist auch der Verlust
des Augenlichtes für einen Erwachsenen ungleich schwerer zu
kompensieren, als für ein Kind; der Ausgleich für den Ausfall
des Sehvermögens ist bei vorgeburtlicher Schädigung am weitaus
effektivsten: Die betroffene Person kennt ihre Umwelt
schließlich gar nicht anders als dunkel. Kompensation ist
allerdings auch eine Frage der geistigen Fähigkeiten, deren
entwicklung wiederum ganz wesentlich von individuellen
Interessen und Neigungen abhängt.

Wie weit der Mensch in der Lage ist, ausfälle zu kompensieren,
erleuchtet schlagartig der Fall eines leidenschaftlichen
deutschen Schachspielers, der als junger Mann im zweiten
Weltkrieg nicht
nur erblindet war, sondern der durch eine Explosion auch beide
Hände verloren hatte. Wollte er Schachspielen, notierte eine
Hilfs-person alle Zugangaben mit. Er war über Jahrzehnte einer
der besten blinden Schachspieler Deutschlands, obwohl
Schachbrett, Figuren und vor allem die Beziehungen zwischen
ihnen ausschließlich in seiner Vorstellungskraft existieren
konnten.

Eine wesentliche Voraussetzung für Lernen im allgemeinen und für
die Entwicklung kompensatorischer Fähigkeiten ist in jedem
Einzelfall also ein gerichtetes Interesse, das bei Kindern immer
vorausgesetzt oder geweckt werden kann, das bei Erwachsenen aber
eher die Ausnahme darstellt..

Jedoch hängt das bei Spielen und ganz speziell beim
Schachspielen auch davon ab, daß ein interessanter Gegenspieler
verfügbar ist. Und das Problem ist für Blinde und Sehgeschädigte
nicht ganz so einfach zu lösen. Die örtlichen Schachklubs sind
zwar dankenswerterweise immer bereit, Blinde und Sehgeschädigte
aufzunehmen; es war aber für diesen Kreis von Menschen
schwierig, eine Spieltechnik zu entwickeln, die einen echten
Vergleich mit Sehenden erlaubt. Deshalb versuchten Blinde und
Sehgeschädigte von Anfang an, Kontakt untereinander aufzunehmen
und zu halten. Es ging immer darum, die Hilfsmittel, deren sich
jemand bedienen muß, um schachspielen zu können, der über die
Grundvoraussetzung des Betrachtenkönnens im physischen Sinne
nicht verfügt, zu ersinnen und zu vervollkommnen.

Nach anfänglichen internen Turnieren traten dann die Klubs der
Blinden und hochgradig Sehgeschädigten auch an die
Öffentlichkeit, um zu erproben, was zuvor ersonnen worden war;
Es wurden Wettkämpfe mit Klubs sehender Schachfreunde
bestritten. Doch den entscheidenden Aufschwung nahm das Schach
unter den Blinden vieler Länder erst nach dem zweiten Weltkrieg,
vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren. So nimmt es
nicht Wunder, daß mit dem Näherrücken der Völker, bedingt durch
die rasche, technische Entwicklung - auch unter den Blinden aus
den verschiedenen Ländern - engere Kontakte geknüpft und die
ersten Fernschach-Länderkämpfe vereinbart wurden. Die
skizzierten Probleme wurden jetzt international diskutiert.

1.   Wer sein Schachbrett nicht anschauen kann, dem muß es
gestattet sein, seine Figuren zu berühren.

2.   Wer seine Figuren berührt, der muß auch sicher sein können,
daß diese Figuren weder umfallen   noch daß ihre Position durch

                       die tastende Hand

verändert wird.

3.   Es ist auch die ®tastende Hand¯, die zwei weitere Probleme
verursacht: Zum einen verdeckt sie dem Gegner die Sicht auf die
Figuren, um die - auch wenn er nicht am Zuge ist - ständig seine
Kombinationen kreisen und die zu sehen er gewohnt ist;      Zum
anderen verrät die tastende Hand auch unter Umständen dem
Gegenspieler Pläne und Erwägungen  des sehgeschädigten Spielers,
was diesen gewiß benachteiligt.

4.   Die benutzten Schachuhren waren für Blinde und    
hochgradig Sehgeschädigte ebenfalls völlig unbrauchbar; auch
hier mußte eine andere Lösung gefunden werden, um die
Aktivitäten Blinder und hochgradig Sehgeschädigter von der
Mitwirkung sehender Personen weitgehend unabhängig zu machen.

5.   Für die Notation der Spiele wie auch für die erforderliche
Schachliteratur hatte der Franzose Louis Braille (1809-1852)
bereits in
der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit der Kreation der
Punktschrift die Grundvoraussetzung geschaffen. Es galt jetzt
nur noch, eine spezielle Schachschrift unter Verwendung dieses
Mediums zu entwickeln. 

Wie hieraus leicht ersichtlich ist,gab es für Blinde und
hochgradig Sehgeschädigte von Anfang an nicht nur ein
begründetes Interesse an möglichst engen Kontakten, sondern ein
intensiver Erfahrungs- und Ideenaus-tausch war immer
unerläßlich. Mit der Zahl der blinden Schachspieler stieg auch
der Bedarf nach Schachliteratur in Blindenschrift, um das
schachliche Wissen und Können ohne fremde Hilfe vervollkommnen
zu können. Die Pädagogen für die Erziehung blinder Kinder,
O.Brandt und W. Philipp, schufen im Jahre 1925 auf der Grundlage
der algebraischen Zugangabe die Marburger Schachschrift, die bis
auf geringfügige Änderungen noch heute die wichtigste Grundlage
für das Übertragen von Schachbüchern, das Aufschreiben von
Partien usw. ist; hierdurch wurde auch das Verfassen und
Versenden von Fernschachbriefen erst möglich. Viele Schachbücher
wurden seitdem in Marburg und Leipzig abgedruckt und stehen den
blinden Schachspielern zur Verfügung.

Ein weiteres Problem war zu lösen: Das Diagramm - das
Schachbrett mit der übersichtlichen Position der einzelnen
Figuren war in dieser Form nicht in die 6-Punkte-Schablone
tastbarer Zeichen zu übertragen. Hier mußte etwas total neues
gesucht werden. Die Darstellung eines Diagramms in Braille-
Schrift ist zwar bei weitem nicht so einprägsam übersichtlich
wie das in Schwarzschrift möglich ist, es ist jedoch eine
Lösung, die für Blinde und Sehgeschädigte anwendbar ist. Die
Reihen werden - vereinbarungsgemäß - vom Feld a8 ausgehend und
jeweils reihenweise zusammengefaßt bis zur ersten Reihe in
dementsprechend acht Zeichenfolgen dargestellt, in denen freie
Felder wie auch freie Reihen sumarisch durch Zahlensymgole und
besetzte Felder durch kennzeichnende Buchstaben, die für die
Figuren stehen, angegeben werden; die schwarzen Figurensymbole
erhalten zur Unterscheidung - ebenso vereinbarungsgemäß - einen
zusätzlichen Punkt.

Die "algebraische Methode" der Zugangabe definiert jedes Feld
des Schachbretts durch einen Buchstaben (von a bis h - linker
Hand des Führers der weißen Steine angefangen) für die Reihen,
die von den weißen zu den schwarzen Steinen verlaufen und eine
Zahl (von 1 bis 8 - bei der weißen Position beginnend) für die
Reihen, die quer dazu liegen. Damit kann man Start- und Zielfeld
einer Figur auf dem Schachbrett eindeutig angeben. Sie ist den
weitaus meisten Schachspielern geläufig.

Daneben gibt es auch noch die ®beschreibende Methode¯, eine
Aktion auf dem Schachbrett anzugeben. Vielen unserer englischen
Schachfreunde ist zum Beispiel die in Deutschland allgemein
gebräuchliche und vertraute algebraische Angabe eines Zuges
ebenso fremd wie uns die beschreibende. Um ein Feld mit der
"beschreibenden Methode" zu definieren, sind folgende drei
Punkte zu beachten:

1.   Jeder Spieler - der Führer der weißen wie auch der Führer
der schwarzen Steine - zählt die acht Reihen des Spielfeldes von
seiner Grundlinie aus.

2.   Jeder Spieler bezieht sich bei der Angabe eines Feldes auf
seine Grundstellung; die vertikalen Linien werden mit den Namen
der Figuren benannt,     die am Anfang stehen.

3.   Die Figuren - Läufer, Springer und Turm - werden weiter
danach bestimmt, auf welcher Seite sie stehen (Königs- oder
Damenflügel).


Unter Berücksichtigung dieser drei Punkte stellt sich die
Notation einer Schachpartie folgendermaßen dar:

                   M. Arenas -- F. Infantes
                        Teneriffa 1992
            Spanische Mannschaftsmeisterschaft für
                   Blinde und Sehgeschädigte
                   Französische Verteidigung

1.   Bauer Koenig vier   -
     -    Bauer Koenig drei
2.   Bauer Dame vier     -
     -    Bauer Dame vier
3.   Bauer Koenig fuenf  -
     -    Bauer Koenigsspringer drei
4.   Springer Koenigslaeufer drei  -
     -    Springer Dame zwei
5.   Laeufer Koenigsspringer fuenf -
     -    Springer Koenig zwei
6.   Dame Dame zwei -
     -    Laeufer Koenigsspringer zwei
7.   Dame Koenigslaeufer vier -
     -    kleine Rochade
8.   Laeufer Koenigsturm sechs     -
     -    Springer Koenigslaeufer vier
9.   Laeufer Koenigsspringer fuenf -
     -    Dame Koenig eins
10.  Laeufer Dame drei -
     -    Bauer Dameturm drei
11.  Bauer Koenigsspringer vier -
     -    Springer Koenig zwei
12.  Läufer Koenigsturm sechs -
     -    Bauer Damespringer drei
13.  Laeufer schlaegt Laeufer Koenigsspringer sieben -
     -    Koenig schlaegt Koenigsspringer zwei
14.  Bauer Koenigsturm vier -
     -    Springer Koenigsspringer eins
15.  Bauer Koenigsturm fuenf -
     -    Koenig Koenigsturm eins
16.  Springer Koenigsspringer fuenf -   -
     -    Bauer Damelaeufer vier
17.  Springer schlaegt Bauer Koenigsturm sieben -
     -    Koenig schlaegt Koenigsturm zwei
18.  Bauer schlaegt Koenigsspringer sechs -
     -    Koenig Koenigsspringer zwei
19.  Turm Koenigsturm sieben  -    -                     MATT!

Für jemanden, der an die algebraische Methode gewöhnt ist, wirkt
das Ganze doch sehr umständlich und exotisch, wenn es so
geschrieben ist. Es ist aber dabei anzumerken, daß die
beschreibende Methode für Spieler am Brett recht anschaulich
ist. Versuchen Sie es doch einmal! Schreiben sollte man so etwas
vielleicht gar nicht oder nur in der von unseren blinden
Schachfreunden aus Großbritannien entwickelten verkürzten Form.
Aber ob die Spielerin oder der Spieler nun ihren/seinen Zug auf
diese oder jene Weise ansagt oder schreibt, alle verbindet die
Freude am königlichen Spiel.

Die ®International Braille Chess Association¯ beschäftigt sich
seit ihrer Gründung vornehmlich damit, die Möglichkeiten blinder
und Sehgeschädigter Spieler optimal zu gestalten. Schon im Jahre
1961, beim II. I.B.C.A.-Kongreß in Meschede (BRD), wo
gleichzeitig auch die I. Blindenschacholympiade statt fand, war
das Spielmaterial ein wichtiger Diskussionspunkt; Die
Organisation wurde zu dieser Zeit in deutschsprachigen Ländern
auch noch als ®Internationaler Blindenschachbund¯ geführt. Seit
dieser Zeit zieht sich das Thema wie ein roter Faden durch alle
Kongresse. Hier ein Auszug aus dem entsprechenden Protokoll:

"Die Schachfreunde Uekermann und Cohn schlagen vor, möglichst
einheitliche Schachbretter und -uhren zu schaffen, da dies -
besonders bei Turnieren - von großem Vorteil ist. Alle
Anwesenden sind sich darüber im klaren, daß dies ein
erstrebenswertes Ziel ist, jedoch vorerst noch auf erhebliche
Schwierigkeiten stoßen dürfte."

Durch Kontakte und Erfahrungsaustausch zwischen den
unmittelbar Betroffenen entstanden mehr oder weniger feste
"Schicksals- und Hobbygemeinschaften" in sehr
vielen Ländern der Welt. Im Jahre 1951 war es dann Reginald
Walter Bonham, Mathematiklehrer am Blinden-College in Worcester
(England), der das erste internationale Fernschachturnier
organisierte.

Reginald Walter Bonham wurde 1906 in East Anglia geboren. Er
stammt aus einer kinderreichen Familie. Von seinen Geschwistern
waren noch weitere zwei blind. Er besuchte das Worcester-College
for the Blind, wo er auch im Jahre 1922 das Schachspielen
erlernte. Bereits in den Jahren 1924 und 1925 gewann er die
Kollege-Meisterschaft. In seiner Freizeit befaßte er sich -
neben Schach - auch mit Rudern und Schwimmen; als er sich zum
Mathematikstudium in Oxford aufhielt, wurde er sogar für den
berühmten Universitätsachter nominiert; nur sein rasch
schwindendes Sehvermögen verhinderte letztlich seine Teilnahme.

Er bestand das Mathematik-Examen mit "sehr gut" und wurde
anschließend in seiner Ehemaligen Schule, dem Worcester-College,
als lehrer für Mathematik übernommen, wo er bis zu seiner
Pensionierung im Jahre 1966 blieb. Er war darüber hinaus aber
auch immer an allgemeinen Blindenfragen interessiert. Vor allem
hat er sich um den Ausbau der Blindenschrift für die Anwendung
in der Mathematik Verdienste erworben. Er verstarb - hoch geehrt
und weithin betrauert - im Frühjahr 1984.

Im Blindenschach wurde er 1956 Sieger der ersten englischen
Blindenschachmeisterschaft. Auch in den ersten drei
Fernschachturnieren, durch deren Zustandekommen und in deren
Verlauf die I.B.C.A. gegründet wurde, siegte er unangefochten
Durch die initiative von Reginald Walter Bonham und Victor
Nelson wurden über die weltweite Esperantovereinigung Blinder
und Sehgeschädigter die ersten Kontakte in den Jahren 1949 und
1950 geknüpft. Aus Anlaß seines 75-jährigen Geburtstages schrieb
Heinz Reschwamm im INFORMATIONSBLATT 1 1981: "Auf seine
Initiative wurde im Jahre 1951 das erste "internationale
Fernschachturnier durchgeführt. Sechsmal konnte er den Titel
eines Blindenfernschach-Weltmeisters erringen."

Bonham war aber nicht nur in Kreisen blinder Schachspieler
bekannt; auch gegen sehende Schachfreunde war er recht
erfolgreich: 1927 und 1928 war er jeweils zweiter in der
Schachmeisterschaft von Oxford, 1929 gewann er diesen
Wettbewerb. Das Reserveturnier von Hastings gewann er 1931. Das
Birmingham-Turnier gewann er dreimal in Folge; 20-mal gewann er
die Meisterschaft der Grafschaft Worcestershire; er ist
dreifacher Meister der neun mittelenglischen Grafschaften;
zweimal gewann er den "Pokal der Birmingham-Post".. Er nahm
sechsmal an den englischen Meisterschaften teil (bestes
Ergebnis: neunter Platz). Vielleicht noch erfolgreicher war er
im Fernschach; Teilnehmer in der Endrunde der ersten
Fernschachweltmeisterschaft; zweiter Platz hinter Lundquist im
Halbfinale der dritten Fernschachweltmeisterschaft. In den
Jahren 1943, 1947 und 1951 wurde er britischer
Fernschachmeister. 1952 war er Teilnehmer der
Fernschacholympiade (erstes Brett der englischen Mannschaft). Er
lehnte Simultanvorstellungen als Blindspieler in den
verschiedensten Klubs nur aus zwingenden Gründen ab und gewann
immer mindestens die Mehrzahl seiner Partien gegen zehn und mehr
Spieler.

Mit Beginn dieses ersten internationalen Fernschachturniers, an
dem sich über zwanzig Schachfreunde aus
zehnLändern beteiligten, gewann das Schach auch unter den
Blinden weltweite Bedeutung.

Dieses und das folgende zweite internationale Fernschachturnier
bildeten dann auch die Grundlage des - vorerst noch
inoffiziellen - zusammenschlusses von Schachfreunden aus den 16
Ländern: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Deutsche
Demokratische Republik, Finnland, Frankreich, Großbritannien,
Niederlande,  Irland, Italien, Jugoslawien, Österreich,
Schweden, Schweiz, Spanien und U.S.A.

Ab 1955 wurde ein provisorisches Präsidium, bestehend aus den
Schachfreunden Reginald Walter Bonham (Großbritannien)
Präsident, Anton Grusch (Österreich) Vizepräsident,
Victor Nelson (Großbritannien) Sekretär und Schatzmeister,
Marcel Saurel (Frankreich), seinem Stellvertreter, Heinz
Reschwamm (Bundesrepublik Deutschland) Fernschachturnierleiter
und Hermann Uekermann (Bundesrepublik Deutschland),
Stellvertreter des Fernschachturnierleiters, gebildet.

Victor Nelson wurde im Jahre 1905 in Manchester, England,
geboren. Durch die Folgen einer Kinderkrankheit erblindet und
gehbehindert, besuchte er die Weltberühmte englische
Blindenschule ®Worcester College for the Blind¯ und studierte
dann englische Sprache und Literatur auf der Universität
Manchester. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war es
auch für so ausnehmend Begabte schwer, eine ihren
Qualifikationen entsprechende Anstellung zu finden; trotzdem
wurde Nelson Korrektor für Punktschrift-Literatur an der
®National Library for the Blind¯, wo er sich durch seine ständig
wachsenden Fremdsprachenkenntnisse bald unentbehrlich machte. Er
war mitbegründer des allerersten Blindenschachbundes der Welt,
der britischen ®Braille Chess Association¯ im Jahre 1932-33 und
ihr Sekretär von 1948 bis 1962. Er war, gemeinsam mit I.B.C.A.-
Präsident Bonham, für die Vorarbeit verantwortlich, die zum
Druck der britischen Blindenschachzeitung ®Braille Chess
Magazine¯ im Jahre 1934 führte. Er förderte, gemeinsam mit
vielen anderen europäischen Schachfreunden, den Gedanken der
I.B.C.A. und wurde ihr erster Sekretär von 1951 - hier handelte
es sich noch nur um die Organisation eines internationalen
Fernschachturniers für Blinde - bis 1964 und war außerdem, vom
Beginn 1958 bis zu seinem frühzeitigen Tode 1965, ihr
Schatzmeister. Seine unermüdliche Tatkraft sowie die in der
britischen BCA gesammelten Erfahrungen trugen sehr zum Aufbau
und zur Entwicklung der I.B.C.A. bei. Vor allem aber gewann er
sich durch seine Sprachenkenntnisse, denen er unermüdlich neue
hinzufügte, Freunde in vielen Ländern, und seine brieflichen
Kontakte erstreckten sich über Kontinente und Ozeane. Er nahm
bei vielen internationalen Esperantokongressen sowie in der
®British Association of Braille Esperantists¯ eine führende
Stellung ein.

Die vordringlichen Aufgaben dieses Präsidiums waren die
Ausarbeitung einer provisorischen Satzung sowie einer
Fernschachturnierordnung.

Durch einen Umstand wurden diese Kontakte allerdings begünstigt;
das bedarf der Erwähnung, da schließlich die Hemmnisse auch
detailliert aufgelistet sind: Post in Punktschrift wird
gebührenfrei befördert. Das erleichterte zumindest
Briefkontakte unter blinden und sehbehinderten Schachspielern -
zunächst natürlich auf nationaler Ebene. Aber gemäß Artikel 9,
Weltpostvertrag, Postgebührenfreiheit für Blindensendungen (in
der letzten Fassung: Weltposthandbuch [Wien 1964]: Verträge des
Weltpostvereins) heißt es:

Unter Vorbehalt von Artikel 54, Paragraph 2 unterliegen
Blindensendungen weder der Freigebühr noch den Sondergebühren
für Einschreiben, Rückschein, Eilzustellung, Nachfrage und
Nachnahme.

Der Vorbehalt Artikel 54, Paragraph 2 nimmt Luftpost-sendungen
insofern davon aus als sie grundsätzlich von den hier zu
entrichtenden Zuschlägen nicht befreit sind. Und zur
Durchführung Artikel 114 I/g der Vollzugsordnung zum
Weltpostvertrag sind alle Blindensendungen, die ins Ausland
gehen, zwar sowohl mit dem landesüblichen als auch mit dem
international gebräuchlichen Vermerk: Cécogrammes kenntlich zu
machen, sie werden aber gebührenfrei befördert; mit Hilfe
anderer internationaler Blindenorganisationen wurden diese
Kontakte rasch auch international, und sie wurden zu
Fernschachkontakten vertieft.  Heinz Reschwamm, von der
Gründung an über fast drei Jahrzehnte - bis zu seinem Tode im
Jahre 1987 Fernschachleiter der I.B.C.A., stammt aus Halle,
Sachsen-Anhalt in der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik gelegen. Er übersiedelte im Jahre 1954 nach
Westdeutschland, Bundesrepublik Deutschland; zu dieser Zeit
existierten zwei Staaten auf deutschem Boden. Schon im Vorfeld
der Gründung der Organisation der I.B.C.A. enstand -unter seiner
Federführung - eine Fernschachturnierordnung. Ein Auszug aus
einem Artikel der "Mitteilungen" des Österreichischen
Blindenverbandes aus dem Jahre 1958 belegt beispielsweise, daß
im Fernschach die Anfänge der I.B.C.A. liegen:

"In der Zeit vom 12. bis 16. April 1958 fanden sich die
Vertreter des Blindenschachs aus England, Schweden, Dänemark,
Frankreich, der Deutschen Demokratischen Republik, dem
Gastgeberland Bundesrepublik Deutschland und Österreich zur
ersten internationalen persönlichen Fühlungnahme
zusammen. Ziel dieser Tagung war es, die Wege und Methoden zur
Verbreitung des ®königlichen Spiels¯ unter den Blinden in
verschiedenen Ländern, wie auch die bereits erreichten Erfolge
kennenzulernen. Breiten Raum nahm die Bestrebung ein, den
bereits bestehenden Internationalen Blindenfernschachbund durch
Forcierung des Brettschachs unter den Blinden in den
internationalen Blindenschachbund auf breiter Ebene aufzubauen."

Abgesehen von dem hier erwähnten Turnier, beschränkten sich bis
zum Jahre 1961 die schachlichen Aktivitäten der I.B.C.A.
ausschließlich auf die Durchführung internationaler
Fernschachturniere und die damit zwangsläufig verbundenen
Kontakte zwischen den Schachfreunden der einzelnen Länder.

Chronologisch steht also das Fernschach am Anfang. Das
bereits erwähnte Turnier blinder Fernschachspieler, das im Jahre
1951 begann, war ein erstes Zeichen. R. W. Bonham hatte dazu
eingeladen. Auf deutscher Seite nahmen unter anderem Hermann
Uekermann und Franz Rauher teil, von england waren E. Williams
und J. Wall beteiligt. A. Hartig (Österreich) und M. Saurel
(Frankreich) waren weitere Teilnehmer. Allerdings findet sich
noch in einem Bericht der "Schachbrücke" von 1972 über den V.
I.B.C.A.-Kongreß in Pula (Jugoslawien) der folgende Satz:

"Bestätigt wurde eine Neufassung der Fernschachordnung, die sich
stärker als bisher an die Turnierordnung der "International
Correspondence Chess Federation" (I.C.C.F.)angleicht."

Die Entwicklung war also und ist immer noch nicht abgeschlossen.
Da Reisen heutzutage technisch einfacher und auch billiger ist
als noch zu Beginn der I.B.C.A.-Schachaktivitäten, gewinnt das
®Spiel am Brett¯ zunehmend an Bedeutung. Trotzdem liegt im
Fernschach der Keim für dieInternational Braille Chess
Association.

Immer wieder wird auch in Kreisen der International Braille
Chess Association die Frage erörtert, ob der Schachcomputer das
®ende des Schachspielens¯ sein wird. Dazu ist anzumerken, daß
Laufwettbewerbe nicht etwa deshalb als uninteressant,
überflüssig oder sinnlos angesehen wurden, weil die technischen
Entwicklungen uns mittlerweile mit Fahrzeugen beglückt haben,
die ungleich raschere Fortbewegung als die des schnellsten
Läufers ermöglichten. Die Freude am Schachspielen wird für den
Einzelnen auch dadurch nicht wesentlich eingeschränkt, daß er in
der Regel nicht das ®Zeug zum Weltmeister¯ hat. Das gilt
schließlich für jede Sportart.

Für die Bewegung, in der Waffentechnik sowie auch zum Rechnen
und Kombinieren von Zahlen oder Kräften hat sich der Mensch
viele Hilfsmittel ersonnen. Aber alle diese Hilfen sind vom
Menschen abhängig, brauchen nicht nur oftmals geniale
Konstruktionsideen, Wartung und Bedienung, sondern sind in ihren
Leistungen auch sehr eng begrenzt. Die Fähigkeit zum
Schachspielen ist bei einem dafür ausgelegten Computer zwar
vorhanden, vielleicht auch in höherem Maße als bei einem
Menschen, sie kann aber nur durch die an sich unsinnige
Anhäufung ganz spezialisierter Vorgänge erreicht werden. Hiermit
entsteht zunächst Quantität. Durch die zur Zeit mögliche
unvorstellbare, ungeheure rechengeschwindigkeit von bis zu 200
Millionen Stellungsbeurteilungen pro Sekunde kann dann also -
wie gary Kasparow es anläßlich seines Turniers mit DEEP BLUE
Anfang Mai 1997 einmal ausdrückte "durch Quantität Qualität
entstehen".
Und dann kommt da natürlich noch etwas anderes - etwas typisch
menschliches oder eventuell besser etwas, was allem Leben eigen
ist, ins Spiel: Gut konstruierte und bediente Technik ermüdet
nicht oder jedenfalls nur in einem vorausbestimmbaren Maße, was
letztlich ja nur ein Problem der Pflege und Wartung ist. Jeder
technische Apparat - auch der Computer - kann demnach nur
Leistung erbringen, wenn die einzelnen Funktionen ständig vom
Menschen überwacht, gesteuert und optimiert werden.

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