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Info-Mail Schach Nr. 26


Hallo Schachfreunde,
der Deutsche Schachbund ist mächtig stolz auf das Abschneiden der Herren-
Mannschaft bei der Europameisterschaft. Im Internet erscheint auf der
homepage folgende Schlagzeile: "Der größte Erfolg seit vielen, vielen
Jahren!". Weniger erfolgreich spielten die deutschen Damen, die den er-
hofften Platz unter der ersten 10 klar verfehlten.
Auch die Schachfreunde aus Österreich dürften nicht zufrieden sein. Die Damen
erreichten in den beiden letzten Runden jeweils ein 1:1 gegen die Türkei und
gegen Schweden; die Herren besiegten in der 8. Runde Schottland mit 3,5:0,5
und verloren in der Schlussrunde 1:3 gegen Mazedonien.
Die Endstände stammen aus einer englischsprachigen Internetseite mit einer
kleinen Anmerkung von Toni; den Verlauf der letzten beiden Runden schildert
Großmeister Christopher Lutz in seinem "Tagebuch" - gefunden im Internet
- www.gm-schach.de -

Mit dieser Ausgabe endet wahrscheinlich für die Aussenstelle Leimen die
Berichterstattung im alten Jahr.
Frohe Festtage und einen guten Rutsch wünscht
Herbert Lang

 EUROPAMEISTERSCHAFT
 Die nachstehenden Endstaende der EM verwenden leider die englischen
 Bezeichnungen der Laender. Aber ich denke, dass auch Schachfreunde, die
 der englischen Sprache nicht maechtig sind, ohne weiteres erkennen, um
 welches Land es sich handelt. Hinter der mysterioesen Bezeichnung
 BIH verbirgt sich uebrigens Bosnien/Herzegowina.

 Endstand Herren

    1 Armenia 22.5
    2 Hungary 22.0
    3 Germany 21.0
    4 Bulgaria 20.5
    5 Russia 20.5
    6 Ukraine 20.5
    7 Israel 20.5
    8 Slovenia 20.5
    9 Belarus 20.0
   10 England 19.5
   11 Netherlands 19.5
   12 Czech Rep. 19.5
   13 BIH 19.5
   14 Switzerland 19.5
   15 Spain 19.5
   16 Poland 19.0
   17 Latvia 19.0
   18 Sweden 18.5
   19 Italy 18.5
   20 Croatia 18.5
   21 Georgia 2 18.5
   22 Romania 18.5
   23 Azerbaijan 18.0
   24 Lithuania 18.0
   25 FYROMacedonia 18.0
   26 France 17.5
   27 Yugoslavia 17.0
   28 Slovakia 17.0
   29 Georgia 16.5
   30 Portugal 16.5
   31 Austria 16.0
   32 Finland 15.5
   33 Belgium 15.5
   34 Turkey 15.0
   35 Scotland 6.5
   36 Ireland 5.5


 Endstand Damen

     1 Slovakia 12.5
     2 Yugoslavia 12.0
     3 Romania 12.0
     4 Ukraine 11.5
     5 Armenia 11.0
     6 Bulgaria 10.5
     7 England 10.5
     8 Russia 10.5
     9 Spain 10.5
    10 Georgia 10.0
    11 Hungary 10.0
    12 Georgia 3 10.0
    13 Israel 10.0
    14 Azerbaijan 10.0
    15 Switzerland 9.5
    16 Poland 9.0
    17 Georgia 2 9.0
    18 BIH 9.0
    19 Germany 9.0
    20 France 9.0
    21 Czech Rep. 9.0
    22 Croatia 9.0
    23 Latvia 9.0
    24 Lithuania 9.0
    25 Greece 8.5
    26 Scotland 8.0
    27 Finland 7.5
    28 Netherlands 7.5
    29 Estonia 7.5
    30 Sweden 7.5
    31 Portugal 7.5
    32 Slovenia 7.0
    33 FYROMacedonia 7.0
    34 Austria 6.5
    35 Turkey 5.0
    36 Italy 3.0


    6.12.1999   - 8.Runde:

    Deutschland - Polen        3:1

    Jussupow    - Krasenkow  0,5:0,5
    Dautov      - Macieja    0,5:0,5
    Lutz        - Socko        1:0
    Gabriel     - Kempinski    1:0

    Deutschland - Israel    1:1

    Kachiani-Gersinska - Pitam   0,5:0,5
    Koglin             - Borsuk  0,5:0,5

    Zur rechten Zeit platzt der Knoten. Das junge polnische Team hatte
    sich unter der Fuehrung des Exilrussen Michail Krasenkow bislang
    bravouroes geschlagen, heute gelingt uns aber ein hoher Sieg. Zunaechst
    kann Jussupow jedoch nicht viel mit den weissen Steinen erreichen und
    gibt schnell Remis. Dautov opfert einen Bauern fuer sehr gute
    Kompensation, am Schluss  steht er jedoch nicht mehr besser. Also
    obliegt es den hinteren Brettern, die Punkte zu holen. Mir gelingt
    eine gute Partie, ich kann die gegnerische Franzoesische Verteidigung
    knacken. Als letzter ringt Christian Gabriel in einer Kampfpartie seinen
    Gegner nieder. Damit schieben wir uns mit 19 Punkten auf den
    alleinigen dritten Platz vor. Armenien hat 20,5 Punkte, Ungarn 19,5.
    Was wird die letzte Runde bringen ?

    Bei den deutschen Damen trudelt das Turnier langsam aus, zwei
    Unentschieden lautet die Bilanz gegen Israel.
    An der Spitze bahnt sich eine Ueberraschung an. Die hoch eingeschaetzten
    Jugoslawinnen verlieren 0,5:1,5 gegen Rumaenien, die Slowakinnen gewinnen
    2:0 gegen Armenien. Damit fuehrt die Slowakei ploetzlich mit 12 Punkten
    und 1,5 Punkten Vorsprung !

    7.12.1999  - 9.Runde:

    Armenien   - Deutschland   2:2

    Lputian    - Jussupow    0,5:0,5
    Minasian   - Dautov      0,5:0,5
    Anastasian - Lutz        0,5:0,5
    Aronian    - Gabriel     0,5:0,5

    Georgien III   - Deutschland         1,5:0,5

    Lomineishvili  - Kachiani-Gersinska  0,5:0,5
    Charkalashvili - Koglin                1:0

    Die letzte Runde verlaeuft aeusserst spannend. Wie erwartet bekommen wir
    den Tabellenfuehrer Armenien zugelost. Damit haben wir sogar noch eine
    theoretische Chance auf den EM-Titel, sollten wir hoch gewinnen.
    Allerdings laeuft es zunaechst gegen uns. Dautovs Gegner Minasian kann
    muehelos ausgleichen und droht sogar schon, die Initiative zu
    uebernehmen, daher kommt das Remisangebot gerade rechtzeitig fuer uns.
    An Brett 4 wird Christaian Gabriel ebenfalls durch ein Remisangebot in
    die Enge getrieben. Gabriel glaubt, bereits schlechter zu stehen und
    willigt ein, aber die spaetere Analyse zeigt, dass eine taktische
    Variante ihm deutlichen Vorteil gegeben haette! Somit haben wir
    zweimal den "Aufschlag" vergeben, nun muessen die Nachziehenden das
    Beste versuchen. Jussupows Partie verlaeuft aeusserst chaotisch. Zunaechst
    steht er als Nachziehender  besser, verdirbt in der Zeitnotphase
    jedoch seine Stellung voellig. Lputjan steht besser, verliert jedoch
    nach der Zeitnot eine Figur. Allerdings hat er dafuer einen
    gefaehrlichen Freibauern, so dass Jussupow sich genoetigt sieht, ein
    Dauerschach  zu geben. Er haette aber den Freibauern stoppen und eine
    klar vorteilhafte (wenngleich nicht unbedingt gewonnene) Stellung mit
    Mehrfigur erreichen koennen! Also vergeben wir auch hier unsere
    Chancen. Dafuer haben wir jedoch in der letzten Partie das noetige
    Quaentchen Glueck auf unserer Seite. Mein Gegner opfert in der Eroeffnung
    einen Bauern fuer langfristige Kompensation. Er spielt dann aber
    ungenau, und ich kann die Initiative uebernehmen. In der Zeitnotphase
    unterlaeuft mir ein schrecklicher Fehler, und ich lande in einem
    technisch verlorenem Endspiel mit Turm, ungleichen Laeufern und
    Minusbauern. Ich verteidige mich jedoch zaeh, und nach mehr als sechs
    Stunden bietet Anastasian (immer noch in technischer  Gewinnstellung)
    ein Unentschieden an, da dies seiner Mannschaft zum Sieg und ihm
    selbst zur Goldmedaille am dritten Brett reicht. Der Sieg von Armenien
    kam ueberraschend, da einerseits mit Vaganian und Akopian zwei wichtige
    Spieler fehlen,  andererseits aber die ersten vier Bretter kein
    einziges Mal aussetzen. Stattdessen betaetigte sich der Reservespieler
    Arshak Petrosian mit der Mannschaftsfuehrung. Auf Platz zwei kommen die
    Ungarn ins Ziel, die mit der Dreierspitze Peter Leko (6  Punkte),
    Judit Polgar (6,5 Punkte und Goldmedaille am zweiten Brett !) und
    Zoltan Almasi (6 Punkte) vorne kraeftig aufraeumten. Das vierte Brett,
    das sich Chernin und Pinter teilten, erwies sich jedoch als
    Schwachpunkt, den hier holten die Ungarn  gerade 3,5 Punkte.
    Da die anderen Spitzenbegegnungen guenstig fuer uns verlaufen, koennen
    wir durch das Unentschieden trotzdem den alleinigen dritten Platz
    behalten. Damit Bronze fuer Deutschland! Es ist der engagierten
    Fuehrung von Uwe Boensch zu verdanken, dass durch eine mannschaftlich
    geschlossene Leistung dieser Erfolg erzielt wurde. Rustem Dautow
    erzielte 5,5 aus 8, Christian Gabriel und ich jeweils 4,5 aus 7, Artur
    Jussupow 4 aus 8. Lediglich Robert Huebner konnte mit 2,5 aus 6 nicht
    seine tolles Ergebnis von der Deutschen Meisterschaft wiederholen.
    Was der deutschen Mannschaft vielleicht etwas fehlt, ist ein Spieler,
    der mit "+4" oder "+5" alle Gegner niederwalzt. Auch konnten wir mit
    den weissen Steinen wenig aus der Eroeffnung herausholen. Das deutsche
    Erfolgsrezept bestand vielmehr in der Vermeidung von Niederlagen. Wir
    hatten in den 36 Partien bestimmt zehn (im hoeheren Sinne) verlorene
    Stellungen, am Schluss waren es jedoch nur zwei Partien, die wir
    tatsaechlich aufgeben mussten.
    Im deutschen Damenschach sieht es dagegen noch nicht so erfreulich
    aus. Durch die Niederlage in der letzten Runde gegen Georgien III
    gelangte das Team von Raj Tischbierek mit 9 aus 18 nur auf den 19.
    Rang  von 36 Mannschaften. Ketino Kachiani-Gersinska konnte gegen
    schwaechere Konkurrenz nur 50 Prozent erzielen (4 aus 8), ebenso wie
    Elisabeth Paehtz und Anke Koglin (jeweils 2,5 aus 5). Hier muss noch
    viel Arbeit geleistet werden, um in Zukunft  erfolgreicher zu werden.
    Dass man im Frauenschach auch ganz ueberraschen vorne landen kann,
    beweist der Erfolg der Slowakinnen, die sich trotz einer
    Schlussrundenniederlage die Goldmedaille (12,5 Punkte) vor Jugoslawien
    und Rumaenien (jeweils 12 Punkte) sichern konnten. Dabei hatte das
    Aussenseiterteam mit den Spielerinnen Hagarova, Pokorna und
    Bekiarisova die erste Runde gegen Jugoslawien mit 0:2 glatt verloren !
    Ueberraschenderweise spielte der Ausrichter Georgien bei der
    Preisverteilung keine Rolle, das beste der drei georgischen Teams
    landete nur auf dem zehnten Platz. Anscheinend spielten finanzielle
    Streitigkeiten bei diesem Misserfolg eine Rolle, denn Exweltmeisterin
    Maja Tschiburdanidse spielte  beispielsweise gar nicht erst mit.
    Fuer die deutsche Manschaft stellte aber diese EM trotz aller
    organisatorischen Widrigkeiten ein grosser Erfolg dar. Bei der
    Siegerehrung konnten wir uns noch einmal an einem ausgedehnten
    georgischen  Kulturprogramm erfeuen, ehe wir im kleinen Kreis bei Sekt
    und Wein das Turnier ausklingen liessen. Am Mittwoch brauchten dann nur
    noch heimzureisen (wieder mit einer ukrainischen Chartermaschine vom
    Typ Yak 42 nach Budapest), um dann am spaeten Abend endlich ins Bett
    fallen zu koennen. Damit haben wir erst einmal unsere Ruhe bis zum
    Wochenende, wenn die Bundesliga wieder ruft ...
    (Christopher Lutz)

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