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Info-Mail Schach Nr. 78


Hallo Schachfreunde,
die Koffer sind/werden gepackt - Toni und ich fahren am Sonntag (05.11.)als
Beobachter bzw. Schiedsrichter zur Endrunde der DBSB-Mannschaftsmeisterschaft
nach Boppard am Rhein. Die nächste Info-Mail Schach gibt es frühestens am
Freitagabend (aktuell-10.11.2000).
Auch bei der Schach-WM in London werden vermutlich am Sonntag nach der Presse-
konferenz die Koffer gepackt. Obwohl Kramnik vorzeitig als Sieger feststeht,
sollte heute auch noch die 16. Partie gespielt werden. Inzwischen habe ich 
gelesen, dass zwei Schnellpartien gespielt werden. Vermutlich wandern da noch
einige Scheine in die ohnehin schon prall gefüllten Geldkoffer (insgesamt2 
Millionen US-Dollar). Die sensationelle Niederlage von Kasparov sorgt in den 
Medien und vor allem auch im Internet für eine ungewohnte Aufmerksamkeit des 
eher stiefmütterlich behandelten Schachs. Wir versuchen einige Meldungen 
zusammenzufassen und werden später berichten.
Die Schach-Olympiade in Istanbul könnte dafür sorgen, dass Schach weiterhin 
für Gesprächsstoff sorgt. Nach 6 von 14 Runden führt bei den Herren - kaum zu 
glauben - Deutschland!! Sensationell der 3:1 Sieg gegen die als Favoriten 
gehandelten Ungarn sowie das 2:2 gegen Russland (Jussupow remis gegen
Khalifman, der in Istanbul "keinen Hering von der Roste zieht" (www.schach.com).
Ihr findet anschließend Zahlen und Namen mit Schwerpunkt IBCA und Deutschland
sowie einige Platzierungen nach 6 Runden.Den Abschluß bilden zwei Olympia-
berichte von Christopher Lutz, der in der deutschen Mannschaft spielt -
Lesestoff aus erster Hand - m.E. gut geschrieben.
Vorher gibt es - endlich wieder - eine Meldung vom Blindenschach.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
herbert lang      

Das Ergebnis der österreichischen Blindenstaatsmeisterschaft vom
07.10. - 15.10.2000 in St. Georgen (Niederösterreich):

 1. Hartmut Kauzky          7.5
 2. Arnold Gerold           6.5
 3. Albert Unger            5.5
 4. Johann Pasteiner        5.5
 5. Gerhard Zipko           5.0
 6. Thomas Posch            4.5
 7. Rainer Fexa             4.0
 8. Kurt Feuerstein         3.0
 9. Johann Wöllinger        2.0
10. Herbert Zöchling        1.5

Qualifikationsturnier:

 1. Damianschitz Josef      7.5
 2. Schmöger Karl           7.0 48
 3. Hammermayer Franz       7.0 47
 4. Angerer Rudolf          6.0
 5. Hartig Anton            5.5
 6. Aneter Willhelm         5.0 48.5
 7. Ott Max                 5.0 43.0
 8. Dietrich Siegfried      5.0 33.5
 9. Nussthaler Eduard       4.5 36.5
10. Mayrhofer Martin        4.5 31.5
11. Wurnig Ernst            4.0 42.0
12. Vasicek Helmut          4.0 41.5
13. Maier Irmgard           4.0 38
14. Suntinger Rupert        4.0 35.5
15. Lang Leopold            3.5
16. Feigl Herbert           2.0 35.0
17. Huber Daniella          2.0 32.5
18. Nussthaler Anna         0.5

Josef Damianschitz und Karl Schmöger haben sich damit für die nächste
Meisterschaft qualifiziert, Johann Wöllinger und Herbert Zöchling sind
abgestiegen.

Schach-Olympiade in Istanbul:
Mannschaftsmeldung -IBCA (Herren)
Krylov, Sergey (RUS)          3,5 aus 6
Berlinsky, Vladimir (RUS)     3,0 aus 6
Dukaczewski, Piotr (POL)      2,5 aus 5
Wassin, Sergey (UKR)          3,0 aus 4
Enjuto Velasco, Roberto (ESP) 0,5 aus 3
Burdio Gracia, Delfin (ESP)   0,0 aus 0

Ergebnisse: IBCA Herren gegen Georgien 0:4; Guernsey15ersey 4:0; Südafrika 3:1; 
Schottland 1:3; Australien 1:3; Zimbabwe 3,5:0,5.

Mannschaftsmeldung -IBCA (Damen)
Zsiltzova-Lisenko, Lubov (UKR) 3,5 aus 6
Debowska, Teresa (POL)         1,0 aus 3
Maeckelberg, Mieke (BEL)       3,0 aus 6
Sanchez, Esmeralda (ESP)       0,5 aus 3

Ergebnisse: IBCA Damen gegen Polen 0,5:2,5; Marokko 2:1; Kirgisistan 0:3; Japan 
3:0;Kuba 1:2; Norwegen 1,5:1,5.
 
Mannschaftsmeldung - Deutschland (Herren):
Jussupow, Artur     4,0 aus 6
Hübner, Dr. Robert  3,0 aus 4
Dautov, Rustem      5,0 aus 6
Lutz, Christopher   2,5 aus 3
Bischoff, Klaus     2,5 aus 3
Luther, Thomas      1,5 aus 2

Ergebnisse: Deutschland Herren gegen Paraguay 4:0; Aserbaidschan 3,5:0,5; 
Mazedonien 3:1; Ungarn 3:1; Israel 3:1; Russland 2:2.

Mannschaftsmeldung -Deutschland (Damen):
Kachiani-Gersinska, Ketino 3,5 aus 6  
Pähtz, Elisabeth           3,0 aus 5
Koglin, Anke               3,0 aus 4
Trabert, Bettina           1,5 aus 3

Ergebnisse: Deutschland Damen gegen Schottland 2,5:0,5 ; USA 0:3; Südafrika 
2,5:0,5; Turkmenistan 2:1; Australien 2,5:0,5; Spanien 1,5:1,5
  
Stand nach 6 Runden - 
Herren:
1.Deutschland 18,5
2.Russland     18,0
3.Slowakei    17,0
4.Ungarn      16,5
  Israel      16,5
6.Armenien    16,0
129 Mannschaften u.a. noch Österreich 13,0, Türkei A 13,0, IBCA 12,5, Norwegen 
und Türkei B 11,5.
    
Damen:
1.China       13,5
2.Georgien    13,5
3.Moldawien   13,0
4.Niederlande 13,0
86 Mannschaften - u.a. noch Deutschland 11,0, Österreich 10,5, IBCA 8,0, 
Norwegen 8,0, Türkei A 7,5, Türkei B 7,0 

Olympiade-Tagebuch von Christopher Lutz
Alle zwei Jahre trifft sich die Schachwelt zum wichtigsten Mannschafts-
wettbewerb, der sogenannten Schach-Olympiade. Jetzt ist es wieder soweit, und
in Istanbul sind vom 28.Oktober bis zum 12.November die besten Spieler der Welt 
am Start. Die besten Spieler der Welt ? Na gut, Kasparov und Kramnik sind
natürlich nicht dabei.
Anreise, 27.10.2000
Wenn ich mich an die Anreise zur Schacholympiade 1998 nach Elista in Kalmykien 
zurückerinnere, durchfährt mich jetzt noch ein Schauer. Damals verlief die 
Anreise so: Flug von Frankfurt nach Paris. In Paris Flughafenwechsel, Flug mit 
einer Chartermaschine nach Stawropol. Dort etwa drei Stunden Aufenthalt bei der 
Passkontrolle. Anschließend noch fünf Stunden Busfahrt durch die kalmykische 
Steppe, um schließlich völlig entnervt in Elista anzukommen. Auch die Anreise
1999 nach Batumi (Georgien ) zur Mannschafts-Europameisterschaft war kaum 
angenehmer. Diesmal verläuft die Angelegenheit wesentlich glatter: Die
deutsche Delegation sammelt sich in Frankfurt, um gemeinsam einen direkten 
Linienflug nach Istanbul zu nehmen. Die deutsche Delegation besteht aus: Artur 
Jussupow, Robert Hübner, Rustem Dautov, Christopher Lutz, Klaus Bischoff
und Thomas Luther bei den Männern, Ketino Kachiani-Gersinska, Elisabeth Pähtz, 
Anke Koglin und Bettina Trabert bei den Frauen. Als Teamkapitän der Männer 
fungiert Bundestrainer Uwe Bönsch, bei den Frauen ist Raj Tischbierek für die
Mannschaftsleitung zuständig. Als zusätzliche Begleitpersonen stoßen noch 
Thomas Pähtz und (einige Tage später) Ingrid Lauterbach zur Mannschaft.
In Istanbul angekommen, steht bereits ein Bus bereit, der uns durch den 
Istanbuler Verkehr zu unserem Hotel bringt. Schon gleich zu Beginn müssen wir 
uns mit einem der wenigen Nachteile Istanbuls vertraut machen: Wegen des
vielfältigen Lärm (durch den Verkehr, durch Bauarbeiten und die mehrmals 
täglichen Gebetsaufrufe durch den Muezzin) ist an einen ruhigen Schlaf nicht zu 
denken. Im Laufe des Turniers werden sich Ohrenstöpsel noch großer Beliebtheit 
erfreuen...
1.Runde, 28.10.2000
Am Vormittag findet die Eröffnungsfeier statt, die ich jedoch leider ver-
schlafe. Uwe und Raj sind da und können zum Mittagessen mit einer freudigen 
Nachricht aufwarten: Bei der Sitzung der Mannschaftskapitäne wurde beschlossen, 
dass die angekündigten Doping-Kontrollen bei dieser Olympiade nicht stattfinden 
werden! Im Zuge der FIDE- Bemühungen, Schach in die olympischen Sportarten
aufzunehmen, wurde von seiten des IOC gefordert, dass auch Schachspieler
Dopingproben abgeben müssen. Die FIDE war jedoch die Umsetzung dieser Vorgabe 
ziemlich dilettantisch angegangen (es gibt z.B. keinerlei Regelwerk, welche 
Mittel auf der Dopingliste stehen, was mit "Dopingsündern" passieren soll etc.), 
was den Widerstand der nationalen Verbände hervorrief. Zumindest in Istanbul 
werden die Spieler also unbehelligt bleiben. Meines Erachtens ist aber die 
Diskussion über Doping im Schach ohnehin nur ein Sportpolitikum, das 
Schachspiel hat wesentlich ernsthaftere Probleme als den Betrug mit Hilfe von
chemischen Substanzen !
Aber zurück zur Olympiade: Die erste Runde startet um 15 Uhr, genauer gesagt: 
sie sollte starten. Die Spieler müssen jedoch lange vor verschlossenen Türen 
warten, erst eine Stunde später können die Partien beginnen. Wie gemunkelt 
wurde, lag ein technisches Problem bei der Live-Übertragung der Partien vor,
das noch gelöst werden musste. Somit kann die 34.Schach-Olympiade erst mit 
Verzögerung ihren gewohnten Lauf gehen.
Zum Auftakt gibt es für Deutschland die erwarteten leichten Gegner, nämlich 
Paraguay (bei den Männern) bzw. Schottland (bei den Frauen). Thomas und ich 
setzen bei den Herren aus, Bettina bei den Frauen. Die Männer gewinnen 
problemlos mit 4:0. Dabei halten die Südamerikaner eine Zeitlang gut mit,
ehe sie nach drei Stunden restlos zusammenbrechen. Die Frauen können ebenfalls 
klar gewinnen. Ketino und Elisabeth fahren den ganzen Punkt ein, Anke remisiert.
Favoriten bei den Männern sind übrigens Russland (mit Alexander Khalifman, 
Alexander Morozevich, Peter Svidler, Sergej Rublevsky, Konstantin Sakaev, 
Alexander Grischuk) vor Ungarn (Peter Leko, Zoltan Almasi, Judit Polgar, Lajos
Portisch, Gyula Sax, Ruck). Deutschland ist hier an 11 gesetzt. Bei den Frauen 
ist China (Xie Jun, Zhu Chen, Xu Yuhua) auf Platz eins der Setzliste, 
Deutschland ist auf Platz 10. 
Ein witzige Paarung gibt es an Brett 44 bei den Männern zu beobachten: 
Liechtenstein gegen Myanmar ! Die Spieler aus dem ehemaligen Burma konnten in 
der Vergangenheit durch gewaltige ELO-Zahlen aufwarten, die in keiner Weise 
ihrer wahren Spielstärke entsprachen. Gegen Liechtenstein können sie
jedoch nach zähem Kampf mit 4:0 gewinnen. Ganz ohne sind die Spieler aus Asien 
also nicht, mal sehen was die nächsten Runden bringen.

2.Runde, 29.10.2000
Aserbaidschan heißt der Gegner der Männer. Artur spielt einmal mehr Russisch 
und kann ein solides Unentschieden erzielen. Robert, Thomas und ich selbst 
machen es jedoch besser: Wir können durch saubere technische Leistungen die
ELO-Differenz ausspielen und somit 3,5:0,5 gewinnen. Mannschaftskapitän
Uwe Bönsch ist hochzufrieden. Unterdessen schiebt sich Ungarn durch ein 4:0 
gegen Myanmar auf Platz 1 mit 8 Punkten, vor Russland, Deutschland und
Moldawien.
Bei den Frauen ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt: Das Resultat gegen die
USA lautet 0:3 aus deutscher Sicht ! Dabei sind die Amerikanerinnen bei 
weitem nicht mit ihrer besten Manschaft in Istanbul, Spielerinnen wie Irina 
Krush oder Elena Akhmilovskaya glänzen durch Abwesenheit. Deutschland ist
daher ELO-Favorit, aber manchmal läuft eben alles schief. 
Wieder einmal müssen die Spieler die Tücken der Elektronik erdulden: Etwa fünf 
Minuten nach Spielbeginn stoppt Hauptschiedsrichter Geert Gijssen alle Partien, 
da die Live-Übertragung nicht funktioniert. Angeblich (wie es später heißt), 
weil der zuständige Techniker den Hauptcomputer nicht angeschaltet hat.
Deswegen müssen die Partien noch einmal neu gestartet werden, ein bislang 
einmaliger Vorgang ! Geholfen hat dies übrigens nicht, die Übertragung 
funktioniert trotzdem nicht ...
3.Runde, 30.10.2000
Statt Russland oder Ungarn bekommen die Männer "nur" Moldawien zugelost. Ein 
dankbares Los, wie sich bald erweisen wird. Artur gewinnt eine gute Partie im 
Angenommenen Damengambit. Rustem remisiert mit Caro-Kann. Klaus gerät in einem 
Igel kräftig unter Druck und steht auf Verlust. Er hält sich jedoch zäh und 
kann am Schluss das Unentschieden durch ein Dauerschach sichern. Meine eigene 
Partie dauert am längsten. Aus der Eröffnung heraus erlange ich klaren Vorteil, 
gehe dann aber nicht konsequent genug vor und mein Vorteil wird immer kleiner. 
Schließlich lenke ich in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und einem 
Mehrbauern ein, das "eigentlich" unentschieden enden sollte. Mein Gegner
verteidigt sich jedoch ungenau und durch eine Zugzwangidee kann ich schließlich 
noch gewinnen. Somit endet der Kampf 3:1 und Deutschland kämpft sich mit 10,5 
Punkten auf den geteilten ersten Platz vor ! Ebenfalls geteilter Erster ist 
Ungarn, die gegen den Favoriten Russland zum ersten Mal seit 1972 gewinnen 
können, nämlich mit 2,5:1,5. "Schuld" daran sind einerseits Peter Leko, der
gegen FIDE-Weltmeiser Alexander Khalifman in einem feinen Endspiel gewinnt, und 
andererseits der Russe Alexander Morozevich, der eine technische Gewinnstellung 
gegen Zoltan Almasi zum Unentschieden versiebt.
Bei den Frauen kann das deutsche Team zumindest teilweise die Schmach des 
Vortages wettmachen. Gegen Südafrika können Ketino und Bettina gewinnen,
während Anke remisiert. Damit liegt das Team von Raj Tischbierek wieder im 
vorderen Mittelfeld. 
Auch diese Runde verläuft nicht ohne Zwischenfall : Die Partienübertragung 
funktioniert, aber nach etwa drei Stunden fällt das Licht aus und es dauerte 
rund zehn Minuten, bis die Partien wieder fortgesetzt werden können !

4.Runde, 31.10.2000
Die deutschen Herren gewinnen 3:1 gegen Ungarn und gehen allein in Führung ! 
Artur spult gegen Leko eine Theorievariante herunter; Remis. Almasi verliert
den Faden und nach einem wenig überzeugendem Läufermanöver (Ld2-e3-g5-d2)
bietet er ebenfalls die Punkteteilung an. Robert will eigentlich weiterspielen, 
aber gerade in diesem Moment setzt von einem Nebenraum laute Disco-Musik ein
(anscheinend verläuft keine Runde ohne Störung), weshalb Robert schließlich 
doch akzeptiert. Rustem gewinnt glatt gegen Judit Polgar. Die Ungarin hat in 
einem Dameninder aus der Eröffnung heraus eine schlechtere, passive Stellung, 
was nun wirklich nicht ihr Lieblingsgeschmack ist. Kein Wunder, dass sie nicht 
die beste Gegenwehr bietet. Den Mannschaftssieg schließlich vollendet Thomas 
mit einem Sieg gegen Portisch. Zwar ist Portisch mit großem Vorteil aus der 
Eröffnung herausgekommen, aber Thomas schafft es noch, die Stellung
zusammenzuhalten. Schließlich gelingt es ihm, auf Kosten eines Bauern aktiv 
zu werden. Portisch spielt zu lange auf Gewinn und geht schließlich in den 
Komplikationen unter. Damit führt Deutschland mit einem Punkt vor Israel.
Auch die Frauen können gewinnen, allerdings ist das 2:1 gegen Turkmenistan 
eher mager. Elisabeth gewinnt und Bettina remisiert. Ketino hat mehrere  
Gewinnchancen, muss sich dann aber nach langem Kampf schließlich doch noch in 
die Punkteteilung fügen. Es führt das Team aus Georgien, das wohl die Schlappe 
von der vergangenen Europameisterschaft vergessen machen möchte.

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