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Info-Mail Schach Nr. 130


Hallo Schachfreunde,

wir sind zwar schon mitten im Sommer, aber noch ist - zumindest im Schach -
von der "Sauren-Gurkenzeit" nichts zu spüren.

Am Donnerstag ging die WM im Blindenschach der Jugendlichen zu Ende.
Leider habe ich noch kein vollständiges Ergebnis vorliegen. Die deutsche
Delegation ist wohl gestern (Freitag) zurück gekehrt, aber Ludwig Beutelhoff
ist sofort zum nächsten Termin geeilt. Zuvor hat er aber noch telefonisch
bei herbert Lang gemeldet, dass der neue IBCA-Jugendweltmeister Tomas
Figueroa heißt. Figueroa kommt aus Chile und ist bereits im vergangenen
Jahr durch seinen hervorragenden 10. Platz beim stark besetzten Turnier
in Benasque (Spanien) aufgefallen. Der junge Chilene erreichte 6,5 Punkte
aus 7 Partien (Remis gegen Devos). Für den Titelverteidiger Piet Devos
aus Belgien reichte es diesmal mit 6,0 Punkten nur zu Platz 2. Bronze
ging nach Spanien (der Name ist mir im Moment nicht bekannt).

Auch die beiden deutschen Teilnehmer können wohl mit ihrem Abschneiden
zufrieden sein. Stefan Hawranke aus Eibau, 16 Jahre alt dürfte sich mit
seinen 4,5 Punkten im vorderen Mittelfeld platziert haben. Der andere
deutsche Teilnehmer kam auf 3,0 Punkte.

Ich hoffe, dass ich Euch bald möglichst das komplette Ergebnis
nachreichen kann.

Bevor ich mich von Euch verabschiede noch der Hinweis, dass am Ende
dieser Mail zuerst von einem Weltrekord berichtet wird, an dem u.a.
auch der Co-Autor von Info-Mail Schach Herbert Lang teilgenommen hat.

Seit Donnerstag laufen in Dortmund wieder die Schachtage. Einen ersten
Bericht bekommt Ihr hier zu lesen.

Und ganz zum Schluss berichten wir ausführlich darüber, dass es offenbar
kein Naturgesetz ist, dass Schach in den Medien besonders im Fernsehen
ein mauerblümchen-Dasein fristen muss - wenigstens nicht in Indien.

Ich wünsche Euch ein schönes wochenende
und viel Spaß bei Info-Mail Schach 130

Toni aus Augsburg


Größtes Schachturnier - Neuer Guinnes Rekord
12.07.2001 Der Schachverband Württemberg und Schachfreunde aus Mannheim
haben vergangenes Wochenende am Neckar einen neuen Guinnes Rekord
aufgestellt. Beim "Größten Schachturnier" rechts und links des Neckars
spielten 4823 Teilnehmer mindestens eine Partie. Der bisherige Rekord aus
Hamburg von 1988 wurde damit um mehr als 1000 Teilnehmer überboten.

Kramnik und Leko erste Sieger bei den Schachtagen
Mit den 29. Internationalen Dortmunder Schachtagen begann am Donnerstag der
am stärksten besetzte Wettbewerb des Jahres. Am Start sind neben den beiden
Weltmeistern Wladimir Kramnik (BGN/Russland) und Viswanathan Anand
(FIDE/Indien) noch vier Elitegroßmeister aus den Top Ten.
Das doppelrundige Turnier in der Dortmunder Oper weist die in Deutschland
noch nie erreichte Kategorie 21 auf. Schon der erste Spieltag brachte
interessante und kämpferische Partien.
Erster Sieger des Superevents war Peter Leko aus Ungarn, der den Engländer
Michael Adams mit Weiß in einer Russischen Partie bezwang. Nachdem er
einen Bauern erobert hatte, baute Leko seinen Vorteil durch filigrane
Endspieltechnik zum Gewinn aus. Im 48. Zug gab Adams das Spiel verloren..
Als erste waren Alexander Morozevich (Russland) und Vishy Anand (Indien)
nach vier Stunden von ihrem Schachtisch aufgestanden. Sie hatten sich in
einer Sizilianischen Partie im 38. Zug remis getrennt.
BVB-Manager Michael Meier hatte zu Beginn auf der Opernbühne am Brett des
fünfmaligen Dortmund-Siegers Wladimir Kramnik den 1. Zug ausgeführt. Er
schnappte sich den Königsspringer von Kramniks Gegner Weselin Topalow
(Bulgarien) und setzte ihn auf das gewünschte Feld. Kramnik gewann das
Spiel, eine Englische Partie, aber erst nach über fünfstündiger Spielzeit,
da Topalow großen Widerstand leistete.
In der morgigen Spitzenpartie treffen Kramnik (weiße Steine) und Leko
aufeinander.
Ergebnisse der 1. Runde:
Leko - Adams 1:0
Morozevich - Anand remis
Topalow - Kramnik 0-1

Dortmund kooperiert mit Braingames im Jahre 2002
Offiziell wird es am Sonntag bekanntgegeben. Die Dortmunder machen mit
Braingames gemeinsame Sache. "Im kommenden Jahr wird Kramnik seinen Titel zu
verteidigen haben. Dortmund wird im anstehenden WM-Zyklus eine herausragende
Rolle spielen." heißt es in der Pressemitteilung. Zum Dortmunder 30.
Jubliläumsjahr 2002 wird es noch spannender ... Sonntag wissen wir mehr.


Alle lieben den Tiger - Indische Schach-Journalisten auf Europatournee
Von Hartmut Metz

"Noch führen wir 5:2", ulkte Arvind Aaron, als der zweite deutsche
Journalist das Pressezentrum der Chess Classic Mainz betrat. Während die
hiesigen Medien erst nach Beginn des "LRP-Duell der Weltmeister" zwischen
Viswanathan Anand und Wladimir Kramnik die Rheingoldhalle bevölkerten,
rückten bereits am Samstag fünf Schach-Inder an. Das Quintett interessierte
sich nur am Rande für das mit 37 Großmeistern besetzte Ordix Open. Für die
Schar vom Subkontinent war der sportlich bedeutungslose Schaukampf Anands am
Abend viel, viel wichtiger. Im Zweifelsfall interessiert am Ganges mehr,
dass der Weltmeister mit seiner Ehefrau Aruna am Montag fünf Flaschen
Vittel-Mineralwasser eingekauft hat.
Seit 1992 verfolgt Aaron den Großmeister zu fast allen Turnieren. "Ja, ich
bin sicher öfter mit ihm unterwegs gewesen als seine Frau", sagt der
37-Jährige nicht ohne Stolz. Sein Vater Manuel Aaron war zwei Jahrzehnte der
einzige Internationale Schach-Meister Indiens und kassierte 1961 eine
Niederlage gegen die Legende Bobby Fischer, die Eingang in dessen Buch
"Meine 60 denkwürdigen Partien" fand. Dass das königliche Spiel die Leser
interessiert, erkannte zunächst nur "The Hindu". Das zweitgrößte Blatt des
Landes mit weit über 20 Millionen Lesern heftete Aaron an die Fersen Anands.
Zwischen dem aufsteigenden Stern und dem Reporter entwickelte sich eine
Freundschaft. So war es für ihn auch leichter, mal wieder an die
alltäglichsten Informationen zu kommen, wenn die Redaktion in der Heimat
nach einem Text "mit 3.000 Wörtern" lechzte.
Während die indische Filmindustrie ihre Liebesschnulzen bevorzugt in den
Schweizer Alpen anstatt im Himalaya dreht, kennt Vijay Kumar seit drei
Jahren fast nur noch ein Thema: Anand. Mit über 4.500 gesendeten TV-Stunden
fand der emsige Regisseur Eingang ins "Guinness-Buch der Rekorde". Seinen
Weltrekord steigerte der Chefproduzent des Sportkanals Doordarsham in Mainz
um weitere vier Stunden für acht unterschiedliche Programme, die etwa 60
Prozent aller Fernsehbesitzer ansprechen werden. 60 bis 70 Millionen hocken
gespannt vor dem Bildschirm, wenn die Züge über die Mattscheibe flimmern.
Während die knapp 100.000 Vereinsspieler in Deutschland froh wären, würde
einmal im Monat über ihr Hobby berichtet, verwöhnte der berühmte Kumar die
Fans des "Tigers von Madras" allein im Dezember während der WM des
Weltverbandes Fide mit 26 Stunden Sendezeit.
Gebannt verfolgten die Inder auch im Internet den Triumphzug des neuen
Weltmeisters in Neu Delhi und Teheran. Chaturangam.com verbuchte pro Tag
über eine Million Zugriffe. Kein Wunder, meint deren Berichterstatter R. R.
Vasudevan, "Vishy ist wunderbar. Was er alles für Schach in unserem Land
tut!" Der immer zu einem Scherz aufgelegte Superstar steht seinen
Landsleuten stets bereitwillig Rede und Antwort. Vasudevan sowieso, denn mit
ihm spielte er früher im Tal Chess Club von Madras. "Vishy ist ein
fantastischer Spieler und denkt unheimlich schnell. Schon als Kind gewann er
viele Blitzturniere mit 9:0 Punkten oder konnte stundenlang nicht bei
Wettbewerben vom Brett verdrängt werden, bei denen nur der Gewinner sitzen
bleibt", erinnert sich der Schachexperte von Chaturangam.com, auf deren
Webseiten Anands Partien live zu verfolgen sind.
Schach hat mittlerweile in den Gazetten Tennis und Hockey in der
Beliebtheitsskala auf die Plätze drei und vier verdrängt. V. Krishnaswamy
konnte so seinen Job als Sportchef des am weitesten verbreiteten Indian
Express - früher leitete er das Ressort der größten indischen Zeitung, Times
of India, mit rund 30 Millionen Lesern - an den Nagel hängen und schreibt
nur noch über Golf und das königliche Spiel. Gestern der gebürtige Inder
Vijah Singh (Fidschi-Inseln) und Tiger Woods, heute Anand. Nur an Cricket
kommt der eloquente wie charismatische Denkakrobat nicht vorbei. "Trotz
aller Skandale bleibt das die Nummer eins. Bei wichtigen Cricket-Spielen
steht in Indien alles still", berichtet Manisha Mohinte, die den Deccan
Herald (mit 600.000 verkauften Exemplaren Südindiens führendes Blatt) mit
allem über den Weltmeister versorgt. Aber inzwischen nicht mehr nur über
den. Anand wurde zum Vorbild für viele Talente des Milliarden-Volkes, die
manchen Russen bei den Nachwuchs-Weltmeisterschaften von den ersten Plätzen
verdrängten. Die potenziellen Nachfolger des Weltmeisters, Sasikiran und der
erst 15-jährige Harikrishna, spielen nächsten Monat in der Schweiz. Die
Reiseroute des indischen Journalisten-Trosses lautet deshalb Mainz,
Dortmund, wo Anand ebenfalls antritt, und Biel. Im Pressezentrum der Chess
Classic wird bereits gewitzelt, dass in ein paar Jahren wahrscheinlich "das
ganze Hotel während des Turniers durch Schreiber-Inder belegt sein wird".

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