Hallo Schachfreunde, Viorel Bologan aus Moldawien heißt der Sieger des Dortmunder Großmeisterturniers - souverän und verdient vor den "Etablierten". Wir bringen heute aktuell nur den Endstand und werden in den nächsten Tagen wahrscheinlich Lesestoff zum überraschenden Verlauf des Turniers liefern. Erinnert sei auch an den Abschlußbericht im WDR-Fernsehen in der Nacht von Montag (11.08.) auf Dienstag (12.08.) von 0:35 bis 1:20 Uhr. Schach im Fernsehen ist in Deutschland eng verbunden mit dem Namen Dr. Helmut Pfleger, der am 06.08. seinen 60. Geburtstag feierte. Hartmut Metz würdigt den Jubilar in einem recht lockeren Bericht in der Frankfurter Rundschau. Viel Spaß beim Lesen wünscht Herbert Lang Übrigens - die Mediziner raten bei den sommerlichen Temperaturen: Nicht überanstrengen und daher beim Lesen des umfangreichen Artikels eventuell Pausen einlegen! Endstand - Dortmunder Großmeisterturnier 2003 (31.07. - 10.08.2003) 1 Viorel Bologan MDA 6,5 aus 10 2 Wladimir Kramnik RUS 5,5 3 Viswanathan Anand IND 5,5 4 Teimour Radjabow AZE 5,0 5 Peter Leko HUN 4,0 6 Arkadi Naiditsch GER 3,5 Großmeister des Fernsehens Helmut Pfleger moderiert seit 25 Jahren einen langsamen Sport: SCHACH Von Hartmut Metz Ein Skorpion kommt an den Nil und will ans andere Ufer. Daher bittet er das Nilpferd, ihn doch auf die andere Seite zu bringen. Das Nilpferd sagt zum Skorpion: "So dumm werde ich nicht sein. Dann stichst du mich, und ich bin tot." "Aber nein", entgegnet der Skorpion, "das wäre doch dumm. Dann würde ich ja auch auf dem Fluss mit untergehen." Das überzeugt das Nilpferd; es nimmt den Skorpion auf den Rücken. Und, als sie in der Mitte des Flusses sind, sticht der Skorpion doch zu. Das Nilpferd ganz entsetzt: "Was hast du getan ? Jetzt gehen wir beide unter." Der Skorpion sagt: "Ja, ich weiß - aber ich kann nicht wider meiner Natur !" Helmut Pfleger verliert sich gerne in derlei Geschichten. Auch wenn sie auf den ersten Blick mit seinem Metier wenig zu tun haben. "Ich halte das für eine weise Geschichte", sagt der Fernsehmoderator: "Sie gibt den Stil mancher Schachspieler wieder: Sie schreiben sich Besonnenheit auf die Fahne und wollen vernünftig spielen - bis der Gaul mit ihnen durchgeht und sie wie der Skorpion nicht anders können." Mancher Hobbyspieler vergöttert Pfleger ob solch leicht verständlicher Kost. Das bringt ihnen das Geschehen auf den 64 Feldern näher, macht es ein klein wenig verständlicher. Viele verpassen keine Sendung des Großmeisters - und versuchen seit 22 Jahren angestrengt, aber oft vergeblich, seine wöchentliche Schachaufgabe in der Zeit zu lösen. Bei einigen seiner Großmeister-Kollegen ist der Münchner indes wenig gelitten. "Märchenonkel" nennt ihn manch einer verächtlich. Das Etikett missfällt Pfleger. "Es hat etwas Herablassendes, Despektierliches. Ich versuche, den Zuschauern das Schach mit Metaphern und Allegorien näher zu bringen, ohne mich auf den rein technischen Part zu beschränken. Das mache ich, weil man sonst viele einfach abschrecken würde", erklärt er. "Für viele Schachspieler, besonders die guten, zählen mehr die langen Analysen. Aber für die mache ich nicht die Sendungen, für die schreibe ich nicht meine Artikel, das ist ganz klar. Die Mehrzahl, die große Mehrzahl der Zuschauer oder Leser sind relativ unbedarft. An den wenigen, die wirklich sehr gut sind, mögen meine Beiträge vorbeigehen." Den Psychotherapeuten "schmerzen natürlich die Anfeindungen". Gleichzeitig stimmen sie die ehemalige deutsche Nummer zwei "nachdenklich: Ich hinterfrage mich, ob ich nicht nüchterner oder sachlicher kommentieren sollte". Aber er kann sich auch gelassen geben: Seine lautesten Kritiker treibe "der Neid, der Futterneid" um. Vergeblich versuchen sie seit 25 Jahren, ihm seine Sendungen im Westdeutschen Rundfunk oder die Schachspalten in der Zeit und der Welt am Sonntag oder seine Rolle als Kommentator bei großen Turnieren abspenstig zu machen. Profi-Schach ist ein hartes Gewerbe - in dem nur wenige Millionäre werden. Der große Rest lebt von der Hand in den Mund. Von Open zu Open ziehen die Berufsspieler. Mehr als freie Kost und Logis gibt es selten. Wenn's gut läuft, gewinnen sie nach neun Tagen 1 500 oder 2 000 Euro. Unterläuft dem Großmeister nur ein Fehler und er verliert deswegen die Partie, reicht das Preisgeld nicht einmal mehr für die monatliche Miete zu Hause. Pfleger hat sich die Tantalusqualen, wie er es gewiss nennen würde, nie auferlegt. Nicht, weil der von 1963 bis 1985 zu den Leistungsträgern des Nationalteams zählende Franke schlauer als seine Mannschaftskollegen war. "Früher lief bei mir so viel unbewusst und neurotisch ab, vieles ging einfach an mir vorbei. Es spricht also gar nichts dafür, dass ich vernünftig war. Es war mir immer irgendwie klar, dass ich einen anständigen Beruf wie die Medizin ergreife. Dass sich mir nie die Frage nach dem Profitum stellte, ist also eher schon wieder bedenklich, obwohl mir Schach sehr viel bedeutete. Ich nahm leidenschaftlich gerne an Turnieren teil", analysiert sich der Psychotherapeut selbst. Pfleger ist mit dem Versäumnis gut gefahren. Seine Praxis betreibt er en passant, seine Bücher mit den gesammelten Zeit-Kolumnen sind für Schachverhältnisse Bestseller. Derzeit berichtet Pfleger über die Dortmunder Schachtage. Mitte August steht dann der jährliche TV-Höhepunkt für deutsche Schachspieler an: Schach der Großmeister. Auch bei der 21. Auflage heißt sein kongenialer Partner Vlastimil Hort. Der einstige Weltklassespieler aus Köln könnte Pflegers Zwilling sein: Er ist fast genauso alt - und ebenfalls voller Anekdoten. Für zusätzliche Erheiterung sorgt sein stimmlicher Singsang. Der ehemalige Tscheche radebricht wie der brave Soldat Schwejk. Mal mimt Pfleger den "dummen August" zum Wohle des TV-Kunden, mal Hort. Die beiden Großmeister spielen mit Gästen und einem Schachprogramm, das bei den Analysen hilft, spannende Partien von den Schachtagen nach. Die Zuschauer bekommen an den entscheidenden Stellen die Zugfolgen und Varianten auf einem eingeblendeten virtuellen Brett präsentiert. Bei Schach der Großmeister werden sich zwei Koryphäen live im Studio gegenübersitzen. Titelverteidiger ist der ehemalige deutsche WM-Kandidat Robert Hübner, der im Vorjahr Ex-Weltmeister Anatoli Karpow in einer Wiederauflage des ersten Fernsehmatchs von 1982 bezwungen hatte. Ihn fordert die große deutsche Nachwuchshoffnung Arkadij Naiditsch heraus. Solche Liveübertragungen bergen durchaus die Gefahr, dass eine langweilige Remispartie aufs Brett kommt. Dann kann eine zweieinviertelstündige Sendung zur Qual werden. Wohl auch deshalb sind die Fernsehdirektoren zögerlich, wenn es darum geht, dem Brettsport Sendezeit zur Verfügung zu stellen. Karge 34 Minuten und 20 Sekunden in 26 Kurzbeiträgen waren es im Jahr 2002, hat der Deutsche Schachbund ausgerechnet - wenn man Pflegers Sendungen weglässt. Der Guru brachte es mit mehr als 14 Stunden auf das 25-fache. Es gab Zeiten, da kamen die Kämpfe zwischen Schwarz und Weiß öfter auf den Bildschirm. Bis 1993 war das, ehe Garri Kasparow "diese Riesendummheit" mit der Abspaltung vom Schach-Weltverband beging. Als es nur einen Weltmeister gab, "liefen die Sendungen zu guten Sendezeiten in allen dritten Programmen, teilweise in 3sat und im ZDF". Bei den Öffentlich-Rechtlichen sei früher noch "viel mehr Geld da gewesen". Deshalb müssten die Schachspieler heilfroh sein, dass es den Claus Spahn gibt. Er setzte sich als Redakteur stets beim WDR ein. Er schied jetzt zwar aus, hat sich aber ausbedungen, dass die Schach-Sendungen zumindest bis 2005 weitergehen. "Ich befürchte, dass sie danach ohne Fürsprecher auslaufen", sagt Pfleger. Dabei brüsten sich doch gerne Entscheider und Promis mit ihren Schachkünsten und schmücken sich mit einem Intellektuellen-Image. Fußballtrainer Felix Magath und Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker zählen zu Pflegers Stammgästen. Auch Otto Schily strengt dort seine Gehirnwindungen an. "Wenn der Sportminister wieder dabei ist, kann das nur förderlich sein", sagt der 60-Jährige. Der Märchenonkel hofft auf ein Happyend.