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Info-Mail Schach Nr. 304


Hallo Schachfreunde,

weiter geht's mit der Berichterstattung von der Mannschafts-EM in Bulgarien.
Doch die Top-Meldung dieses Tages kommt nicht von der Europameisterschaft,
sondern von der Schachbundesliga, obwohl diese noch gar nicht begonnen hat.

Von der EM könnt Ihr heute die Tagesberichte zur Runde 4 und 5 lesen. Ganz
am Ende stehen dann noch die Tabellen der Damen und Herren an der Spitze.

Erwähnen möchte ich noch, dass unser Herrenteam als Nummer 7 gesetzt ist.
Die Damen gingen von Platz 13 ins Rennen.

Für Deutschland starten Elisabeth Pähtz, Jordanka Micic und Jessica Nill
bzw. Alexander Graf, Christopher Lutz, Rustem Dautov, Thomas Luther und Jan
Gustafsson. Gespielt werden neun Runden im Schweizer System nach
FIDE-Bedenkzeit (90 Minuten + 30 Sekunden/Zug). Das ist natürlich nur mit
den elektronischen "Fischer-Uhren" möglich.

Preisfrage: Wie lange habe ich dann bis zur ersten Zeitkontrolle Zeit, wenn
diese - wie üblich - nach 40 Zügen erfolgt? Ich bin mal gespannt, wer mir
zuerst antwortet. Preise gibt es bei Info-Mail Schach natürlich nicht, seit
wir die Abo-Gebühren so drastisch gesenkt haben (*grins*).

Ich wünsche Euch jedenfalls viel Spaß mit der Nummer 304.

Euer Toni
aus Augsburg

Schach: Meister Lübeck gibt die Bundesliga auf
Lübeck - Dreimal deutscher Meister in Folge, zweimal Pokalsieger - die
Schachspieler des Lübecker SV setzten in den vergangenen drei Jahren in
Deutschland beinahe jeden Gegner matt. Damit ist es nun vorbei. Der Verein
zieht seine erste Mannschaft 16 Tage vor dem Saisonstart am 1./2. November
aus der Bundesliga zurück. Die Klasse (mit dem Hamburger SK von 1830) wird
nun mit 15 Clubs gespielt, Lübeck ist der erste von vier Absteigern.

"Die Schach-Bundesliga krankt an ihrem Spielmodus und lässt sich nicht
angemessen vermarkten", begründete Sponsor Winfried M. Klimek (Galaxis),
bekannt auch als geschäftsführender Gesellschafter der HSV-Handballer, den
kurzfristigen Rückzug. "Wir hatten in der vergangenen Saison nur ein
Heimspiel-Wochenende, diesmal wären es zwei gewesen. Zudem wurde die von uns
angeschobene Darstellung der Wettkämpfe im Internet nicht weiterentwickelt."

Ausschlaggebend für den späten Rückzug waren jetzt Diskussionen der
Oberfinanzdirektion Kiel, wie Schachprofis steuerlich zu behandeln seien.
Lübeck drohte zu den gut 100 000 Honorar für seine ausschließlich
ausländischen Großmeister noch einmal fast dieselbe Summe an den Fiskus
abführen zu müssen, weil auch Reisekosten, Spesen und Hotelübernachtungen
künftig als (verkapptes) Einkommen der Spieler angerechnet werden sollten.
Das war Klimek dann doch zu viel Geld, "weil unter den gegebenen
Austragungsbedingungen ein werblicher Gegenwert nicht annähernd vorhanden
ist".

Der Unternehmer, selbst ein Schachspieler beachtlicher Stärke, will seinen
Verein aber weiterhin finanziell unterstützen. Klimek: "Wir planen
internationale Turniere in Lübeck um den Galaxis-Pokal und die Anstellung
von Trainern für die Jugendarbeit. Das ist sportlich weit effektiver und
öffentlichkeitswirksamer, als diese Bundesliga zu spielen." Darüber hinaus
sei er geschäftlich am Schach stark interessiert. In die neuen Set-Top-Boxen
(für Fernsehen, Computer, Internet) will Galaxis die Schachprogramme des
Hamburger Software-Hauses ChessBase mit dem Computer-Weltranglistenersten
"Fritz 8" integrieren.
Hamburger Abendblatt - erschienen am 16. Okt 2003 in Sport

Mannschafts-Europameisterschaft in Bulgarien

4. Runde am 14. Oktober
Der heutige Kampf unserer Herren gegen Kroatien war der spannendste, den ich
seit einiger Zeit verfolgen durfte. Zunächst sah alles nach einem relativ
sicheren Sieg aus: Thomas Luther überspielte seinen Gegner an Brett aus der
Eröffnung heraus, brachte den Punkt sicher unter Dach und Fach und zu dem
Zeitpunkt, da wir 1-0 führten, bestand an keinem der anderen Bretter
ernsthafter Grund zur Sorge. Das sollte sich ändern.

Zunächst ging es mit Christopher Lutz' Stellung rapide bergab, dazu lief ihm
die Zeit davon. Rustem Dautovs Remisangebot in einem für ihn minimal
schlechteren Endspiel wurde unter mannschaftstaktischen Gesichtspunkten von
seinem kroatischen Gegner abschlägig beschieden und auch bei Alexander Graf
schien alles möglich.

Dann geschahen an Lutz' Brett tolle Dinge: Zunächst übersah sein Gegner
einen Trick, der ihn eine Figur kostete und seine totale Gewinn- in eine
totale Verluststellung verwandelte, dann lief in einem Endspiel mit
deutscher Mehrfigur urplötzlich ein gegnerischer Freibauer durch, der einen
Turm kostete. Die unsägliche Fide-Bedenkzeit (90 min + 30 sek/Zug für die
gesamte Partie) machts möglich. Letztlich ein verdienter kroatischer Sieg an
Brett 2 - 1-1.

In der Zwischenzeit hatten sich jedoch die Dinge an den verbliebenen beiden
Brettern überaus erfreulich für uns entwickelt: Graf hatte sich in ein
Dauerschach gerettet und Dautov hatte sein etwas schlechteres in ein klar
besseres Endspiel verwandelt! In einer Seeschlange brachte er seinen Vorteil
schließlich zum 2,5-1,5 für unsere Farben zur Geltung, was uns in der
Herrenkonkurrenz weiter auf eine Medaille hoffen lässt.

Zu einem vorentscheidenden Match um Gold kommt es morgen zwischen den an 1
und 2 gesetzten Mannschaften von Russland und Israel, die heute jeweils
sicher mit 3-1 siegreich blieben. Dahinter lauern die jungen Aserbaidshaner,
die heute Georgien aus dem Feld schlugen.

Bei den Damen konnten wir der Schachmacht Georgien leider nicht Stand
halten. Zwar remisierte Jessica Nill ihre Partie problemlos, aber am
Spitzenbrett unterlag Elisabeth Pähtz relativ chancenlos ihrer elomäßig etwa
gleichwertigen Gegnerin.

In der Spitzenpaarung retteten die Bulgarinnen mit freundlicher
Unterstützung Russlands ein 1-1. Kurios, welche Stellung Galljamowa am
Spitzenbrett gegen Stefanowa noch verlor!

5. Runde am 15. Oktober
Es bleibt dabei: Geburtstag zu haben bringt bei dieser Europameisterschaft
kein Glück. Gestern verwehrte die deutsche Herrenmannschaft ihrem Kapitän
Uwe Bönsch das Ständchen zu dessen 45. Ehrentag. Nicht nur zwei Punkte,
sondern auch jede Menge Nerven kostete den deutschen Bundestrainer das
1,5-2,5 gegen Frankreich. Nach zwei relativ schnellen Weißremisen von Graf
und Dautov gaben die beiden verbleibenden Partien von Lutz und Luther
zunächst wenig Anlass zum Optimismus, aber Lutz verbesserte seine Lage in
der Zeitnotphase derartig, dass plötzlich sogar ein Mannschaftssieg - Remis
bei Luther, Sieg bei Lutz - greifbar schien. Aber: Es kam genau umgekehrt.
Luther brach ein, Lutz konnte seinen Vorteil nicht gewinnbringend
verdichten.

Kein guter Tag für das deutsche Schach, wenn man den gestern bekannt
gewordenen, - zu diesem späten Zeitpunkt - peinlichen Rückzug des dreifachen
Deutschen Meisters Lübeck aus der Bundesliga hinzunimmt. Davon sind zwar
keine deutschen Spieler, sehr wohl aber jede Menge Legionäre betroffen. Zum
Beispiel Alexander Grischuk, der gestern für den entscheidenden Sieg seiner
Mannschaft im Spitzenkampf gegen Israel sorgte. Das 2,5-1,5 Russlands gegen
die an zwei gesetzten Israelis könnte für den Kampf um Gold bereits
vorentscheidenden Charakter haben, denn den jungen Aserbaidshanern - nach
dem Sieg gegen Slowenien vor dem heutigen spielfreien Tag auf Platz 2 - ist
zwar viel zuzutrauen, wohl aber (noch) kein Erfolg gegen Russland.

Den deutschen Damen gelang gestern ein glattes 2-0 gegen Israel, wonach sie
mit 6-4 Punkten ebenso wie ihre männlichen Kollegen im gehobenen Mittelfeld
platziert sind.

                             Stand nach Runde 5
Männer
Rang Team                 +  =  -  MP  BP

  1 Russland              5  0  0  10  13
  2 Aserbaidschan         4  1  0   9  13
  3 Frankreich            4  0  1   8  13
  4 Israel                4  0  1   8  12½
  5 Weißrussland          3  1  1   7  13
  6 Georgien              3  1  1   7  12
  7 Polen                 3  1  1   7  12
  8 Niederlande           2  3  0   7  11
  9 Ungarn                3  1  1   7  11
 10 Mazedonien            3  0  2   6  13½
 11 Ukraine               2  2  1   6  12½
 12 Slowenien             3  0  2   6  11
 13 Spanien               3  0  2   6  10½
 14 Deutschland           3  0  2   6  10½
 15 Schweden              2  2  1   6  10½
 16 Serbien u. Montenegro 3  0  2   6  10

insgesamt 37 Mannschaften

Frauen
Rang Team                 +  =  -  MP  BP

  1 Russland              4  1  0   9   8
  2 Armenien              3  2  0   8   7½
  3 Polen                 3  2  0   8   7
  4 Bulgarien 1           3  2  0   8   6½
  5 Ukraine               2  3  0   7   7
  6 Frankreich            3  1  1   7   6½
  7 Ungarn                3  1  1   7   6½
  8 Griechenland          3  1  1   7   6
  9 Niederlande           2  2  1   6   6½
 10 Georgien              3  0  2   6   6
 11 Deutschland           2  2  1   6   6
 12 Serbien u. Montenegro 2  2  1   6   5½
 13 England               2  2  1   6   5

insgesamt 31 Mannschaften

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