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Info-Mail Schach Nr. 348


Hallo Schachfreunde,
man stelle sich vor, es findet eine Schachweltmeisterschaft statt und keiner
geht hin. Noch ist es nicht soweit, aber der Weltschachbund ist von dieser
Situation nicht weit entfernt. Die zahlreichen Absagen bei der laufenden WM
in Tripolis (Libyen) führten beim Betrachten der Teilnehmerliste zu
Wortschöpfungen wie "Who's-not-here" - auch von einer kastrierten WM ist die
Rede.

Die FIDE-Weltmeisterschaft (19.06.bis 13.07.2004) wird erneut im K.O.- Modus
mit 128 Spielern ausgetragen. In Mini-Matches mit zwei Partien mit
FIDE-Bedenkzeit und ggf. Stichkämpfen mit verkürzter Bedenkzeit wird der
Sieger ermittelt. Im Halbfinale erhöht sich die Anzahl der regulären Partien
auf vier, im Finale auf sechs.
Für die deutschen Teilnehmer war die Veranstaltung schnell beendet - Dautov
unterlag in Runde 1, Kritz und Graf schieden in der zweiten Runde aus.
Am Ende dieser Mail gibt es die Paarungen vom Halbfinale (aktueller Stand)
sowie einen kritschen Artikel aus dem Berliner Tagesspiegel.
Vorher haben wir Ergebnisse von zwei Blindenschachturnieren anzubieten.  Bei
André Schmeisser bedanken wir uns für den Endstand der französischen
Meiterschaft. Und ganz aktuell habe ich von Werner Fries erfahren, wer beim
Frankfurter Nachtschachturnier erfolgreich war.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Herbert Lang

Französische Meisterschaft in Lyon vom 19. bis 23. Mai 2004
13 Spieler - Endstand an der Spitze nach 7 Runden Schweizer System
1. HERVAIS Adrien             5,5 Punkte aus 7 Partien
2. DELAVALADE Philippe  5,5
3. LEGUELTEL  Daniel        4,5
4. SCHMEISSER André      4,5
5. CATHERINE Bertrand     4,0
 (13 Teilnehmer)

Schnellschachturnier in Frankfurt/Main (03./04.07.2004)
In der Nacht von Samstag auf Sonntag fand zum dritten Mal das
Nachtschachturnier in Frankfurt statt. 22 Spieler gingen an den Start und
spielten in 9 Runden den Sieger aus. Die Bedenkzeit betrug eine halbe Stunde
je Spieler und Partie.
Endstand an der Spitze:
1. Schlierf André   7,5 Punkte aus 9 Partien
2. Engl Heinz         6,5
3. Seidel Volker    6,0
4. Beckers Willi     5,5
5. Pöhler Margit    5,5
6. Eberle Dieter     5,5
Auf den Plätzen 7 bis 13 mit jeweils 5,0 Punkten
Rother Wolfgang
Heck Ewald
Höper Jochen
Fries Elisabeth
Hahn Rainer
Kübel Hannelore
Steinhart Matthias
(insgesamt 22 Teilnehmer)

FIDE-Weltmeisterschaft (19.06.bis 13.07.2004) in Tripolis (Libyen)
Halbfinale: 4 Turnierpartien vom 1. bis 4. Juli, Tiebreak am 5. Juli
Kasimdzhanov, Rustam (Usbekistan) - Topalov, Veselin (Bulgarien)   2,0:2,0
Radjabov, Teimour (Aserbeidschan)   -  Adams, Michael (England)   1,5:2,5

Finale: Sieger Kasimdzhanov-Topalov gegen Adams
6 Turnierpartien mit Ruhetag und evtl. Tiebreak - ab Dienstag -
Siegerehrung am 13. Juli

Berliner Tagesspiegel - 19.06.2004
Warum die WM diesmal in Libyen stattfindet
Früher soll Muammar al Gaddafi Terroristen unterstützt haben – heute
sponsert er Schachspieler. Gestern hat in Tripolis die Weltmeisterschaft des
Weltschachbundes Fide begonnen. Offenbar will Libyens Staatschef nun auch
mit Schach seinen Wandel demonstrieren. Doch der Geist der Vergangenheit war
schon vor dem ersten Zug zu spüren: Unter den 128 Spielern fehlen unter
anderem drei israelische Großmeister. Gaddafis Sohn Mohammed, Chef des
Nationalen Olympischen Komitees Libyens, hat sie verschreckt: äWir haben und
werden den zionistischen Feind nicht zu dieser Weltmeisterschaft einladen.ô
Eher falle das Turnier aus. Trainern und anderen Begleitpersonen aus Israel
haben die Libyer sogar gleich die Visa verweigert.

Zwar ließ der Weltschachbund daraufhin verkünden, alle Teilnehmer seien
willkommen, doch eine entschlossenere Reaktion zeigten die Herren um
Fide-Präsident Kirsan Iljumschinow nicht. Als er auf einen Protestbrief der
neu gegründeten Spielervereinigung ACP antwortete, ging er gar nicht auf die
Aussage von Gaddafis Sohn ein. Iljumschinow, der zugleich über die autonome
russische Republik Kalmückien herrscht, bemerkte stattdessen, die
israelischen Spieler hätten es versäumt, die Spielbedingungen zu
unterschreiben und sich nicht abgemeldet.

Wie bedenkenlos der Präsident des finanzschwachen Weltverbandes Förderer
aussucht, offenbarte er schon mehrfach: 1996 wollte er das WM-Finale in
Bagdad ausspielen lassen, unter Saddam Husseins Schirmherrschaft. Auch für
die jüngst beendete Frauen-WM fand Iljumschinow dubiose Geldgeber, etwa den
ehemaligen Gouverneur der georgischen Region Adscharien, Aslan Abaschidse,
der im Mai angesichts Tausender Demonstranten nach Russland flüchtete. Für
die WM in Tripolis stellt Gaddafi 1,5 Millionen US-Dollar Preisgeld bereit.

Den meisten Spielern blieb kaum eine Wahl. Für Alexander Graf, den
amtierenden Deutschen Meister, ist die Reise nach Tripolis äeine von wenigen
Möglichkeiten viel Geld zu verdienenô. Begleitet werden die drei deutschen
Teilnehmer von Bundestrainer Uwe Bönsch, für den das Turnier durchaus die
Bezeichnung äWeltmeisterschaftô verdient. äEs nehmen ja von den Top 100
immerhin 75 oder 80 Spieler teilô, sagt er.

Allerdings fehlen sowohl der Titelverteidiger, Ruslan Ponomarjow, als auch
Garry Kasparow, Viswanathan Anand, Wladimir Kramnik und Peter Leko, die vier
weltbesten Spieler. Ponomarjow hatte es abgelehnt, in Tripolis zu spielen,
weil Kasparows Privilegien zu groß seien: Kasparow darf als Nummer eins der
Weltrangliste im Zuge einer möglichen Titelvereinigung gegen den Sieger von
Tripolis spielen. Der Gewinner aus diesem Wettkampf soll anschließend gegen
den Sieger des Duells zwischen Leko und Kramnik, dem amtierenden Weltmeister
im so genannten klassischen Schach, antreten. Die WM in Tripolis ist daher
nur eine Etappe auf dem Weg zum äWeltmeister aller Klassenô.

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