Hallo Schachfreunde, schon wieder remis und schon wieder eine Mail mit Lesestoff zur Schach-WM. Die 4. Partie am Donnerstag dauerte immerhin 43 Züge, bevor Kramnik in das Remis einwilligte, da das Doppelturmendspiel mit einem Mehrbauer nicht zu gewinnen ist. In einem Interview vor dem Wettkampf meinte Peter Leko "Blut muss fließen" - nicht nur Hartmut Metz meldet in seinem Bericht über den Verlauf der ersten drei Partien Zweifel an. Ich finde den Artikel mit Schwerpunkt "Zigarren und Schach" lesenswert, auch wenn er etwas verspätet kommt. Viel Spaß beim Lesen, ein schönes Wochenende und viel Blut bei den Partien am Samstag und Sonntag wünscht Herbert Lang Viel Rauch um nichts - von FM Hartmut Metz, 30. September 2004 Emanuel Lasker hätte die feinen Zigarren des aktuellen WM-Sponsors Dannemann bestimmt nicht während der Partien geraucht. Der einzige deutsche Weltmeister, der so lange wie kein anderer den höchsten Schachtitel - 27 Jahre von 1894 bis 1921 - innehielt, galt am Brett als ein mit allen Wassern gewaschener Psychologe. Als ihm einmal ein Verehrer ein paar teure Zigarren überreichte, steckte Lasker die ungerührt in die Jackentasche. Zum Verdruss seines Kontrahenten paffte der Weltmeister aus dem brandenburgischen Berlinchen während der Partie ungerührt sein widerlich stinkendes Kraut weiter. Derlei Tricks hätten dem von seinem Freund Albert Einstein als Gesprächspartner besonders geschätzten Doktor der Mathematik und der Philosophie gegen einen seiner Nachfolger auf dem WM-Thron wenig geholfen: Der asketische Russe Michail Botwinnik ließ sich in Trainingspartien den Qualm ins Gesicht blasen, um gegen diese Ablenkung immun zu werden. Als sich die Schachspieler in den 80er Jahren um Aufnahme in die nationalen Sportverbände bemühten, mussten die Aschenbecher endlich von den Tischen weichen. Die wüsten Drohungen der Nikotinabhängigen, einen Gegenverband zu gründen, verhallten ungehört. Nun eilen sie, wenn der Gegner brütet, aus den Spielsälen und machen ein paar hastige Züge - an der Kippe, nicht am Brett, wohin es wieder hektischen Schrittes zurückgeht. Das Ritual absolviert auch Weltmeister Wladimir Kramnik bei der WM in Brissago (Schweiz). Sein Kontrahent Peter Leko, ein ungarischer Sportsmann durch und durch, nippt derweil in seinem Ruheraum im Centro Dannemann höchstens gelangweilt am Orangensaft oder schält sich eine Banane. Doch nicht etwa der gesund lebende Herausforderer führt nach drei der 14 Partien, sondern der irdischen Genüssen wohlgesonnene Titelverteidiger aus Tuapse. Der Sohn eines Bildhauers vom Schwarzen Meer hatte vergangenen Samstag mit einem Paukenschlag die erste Partie für sich entschieden. In 65 Zügen manövrierte der Russe mit seinen zwei schwarzen Türmen die weiße Dame von Leko geschickt aus. Danach bewahrheiteten sich die Befürchtungen aller Schachfans, die vor dem mit einer Million Franken (645.000 Euro) dotierten Wettkampf geunkt hatten, dass es am Lago Maggiore zu einem Remis-Festival komme: Der 28-jährige Kramnik, dem ein 7:7 zur Titelverteidigung genügt, wickelte zweimal rasch und unbarmherzig in Unentschieden ab. Nach 18 Zügen fügte sich Leko mit Schwarz in sein Schicksal, den Anzugsvorteil als Weißer konnte er am Dienstag ebenso wenig nutzen. Der 25-Jährige stellte seine Sieg-Bemühungen bald ein. Reichlich frustrierend für ihn wie die Zuschauer vor Ort. Die Millionen im Internet können sich wenigstens leicht offline klicken. Die ins Centro Dannemann gepilgerten Besucher müssen jedoch 30 Franken (20 Euro) berappen, was für keine zwei Stunden Schach ziemlich happig ist. Vor allem, wenn wie in der dritten Partie die ersten 17 Züge aus der ersten Begegnung wiederholt werden, Leko dann 50 Minuten über eine andere Fortsetzung nachdenkt und in sechs weiteren Zügen den Friedensschluss perfekt macht. Auch in der heutigen vierten Partie (15 Uhr) hängt die Last der Unterhaltung an dem Weltranglistenfünften aus Szeged. Der kühl kalkulierende Kramnik wird mit Weiß pragmatisch das nächste Remis anstreben. Die Zeiten, als nicht nur die Köpfe am Brett rauchen durften, waren unterhaltsamer. Außer Lasker, nach dem ein Zug der Deutschen Bahn benannt wurde, verstand sich auch Jefim Bogoljubow als Meister der psychologischen Kriegsführung. Als der Vizeweltmeister auf den zart besaiteten Dänen Aaron Nimzowitsch traf, legte der in Triberg lebende Schwarzwälder demonstrativ eine riesige Zigarre neben das Brett. Aufgeregt begab sich Nimzowitsch zum Schiedsrichter. Dieser wies ihn darauf hin, dass Bogoljubow doch Nichtraucher sei. Der gebürtige Balte war dadurch allerdings kaum zu beruhigen und konterte mit seinem berühmtesten Schach-Lehrsatz: "Die Drohung ist stärker als ihre Ausführung!" Letztlich war die Aktion Nimzowitschs das, was die Experten bis zum Ende des Matchs am 18. Oktober im Centro Dannemann genauso fürchten: Viel Rauch um nichts.