Hallo Schachfreunde, remis nach 68 Zügen - so lautet die letzte Meldung von der Schach-WM in Brissago. Aber "natürlich" geschah diese hohe Zügezahl nicht in einer Partie - die Remispartien 9-11 dauerten insgesamt so lange. Es ist schon eigenartig, dass der Kampfgeist der Spieler in Partie 10 gelobt wird, weil unglaubliche 35 Züge zu bewundern waren. In der am Dienstag gespielten elften Partie war das Spektakel nach 17 Zügen in nur eineinhalb Stunden vorbei. Die beiden Kontrahenten waren einmal mehr mit einer minimalen Leistung zufrieden, während das 20 Euro für die Tageskarte zahlende Publikum das Nachsehen hatte. Ist die hohe Anzahl der Kurzremisen wirklich nur durch den angegriffenen Gesundheitszustand von Kramnik zu erklären? Kritisch hierzu äußert sich der Journalist und Fidemeister Hartmut Metz im folgenden Beitrag. Einen Satz in diesem Artikel wage ich zu widersprechen. In der Schachgeschichte wird 1 - in Worten eine - der bisher gespielten Partien in Erinnerung bleiben. Es handelt sich um die achte Partie mit dem grandiosen Sieg von Peter Leko. Eine Partie von vierzehn - zu wenig - meint Herbert Lang Hartmut Metz in der Frankfurter Rundschau online am 11.10.2004: In verschiedenen Ringecken Der Schach-WM-Kampf zwischen Wladimir Kramnik und Peter Leko bringt Experten und Fans zeitweilig auf die Palme Selbst der besonnene irische Schach-Großmeister Alexander Baburin lässt seiner Enttäuschung über den mit einer Million Franken dotierten WM-Kampf freien Lauf: "Auch wenn es beiden viel bedeutet, den Titel zu gewinnen: So wie Wladimir Kramnik und Peter Leko derzeit spielen, beschädigen sie den Schachsport - und ihren eigenen Marktwert." Der Israeli Lew Psachis, in den Achzigern sowjetischer Landesmeister und einer der stärksten Spieler auf dem Globus, fällt ebenfalls ein vernichtendes Urteil: "Keine der bisherigen Partien wird in der Schach-Geschichte in Erinnerung bleiben." Der Zwischenstand von 5,5:4,5 für Herausforderer Leko nach zehn der 14 Partien gerät in Brissago (Schweiz) zur Nebensache. Drei der Duelle endeten im Tessin mit einem Sieger. Damit straften der Ungar und Kramnik eigentlich die größten Lästerzungen Lügen, die weniger entschiedene Begegnungen prophezeit hatten. Doch die Unentschieden bringen die Schachfans auf die Palme. Remis sind auf hohem Niveau zwischen Weltklassespielern unvermeidlich und normal - allerdings nicht nach kaum 20 Zügen, wie es bei der WM in der Hälfte aller Partien geschah. Am Samstag war es zum unrühmlichen Höhepunkt gekommen, als Leko und Kramnik 16 bekannte Eröffnungszüge heruntergespult und sich nach 88 Minuten die Hände geschüttelt hatten. David Levy, Präsident der Internationalen Schachcomputer-Vereinigung ICGA, ätzte: "Stellen Sie sich zwei Boxer vor, die in zwei entgegengesetzten Ringecken vor sich hintänzeln und nur alle paar Runden einmal aufeinander losgehen, weil sie einen glücklichen Niederschlag durch den Kontrahenten fürchten. Wenn das die Einstellung von Schwergewichtskämpfern wäre, wie lange wäre Boxen noch ein Zuschauersport?" Die harsche Kritik zeigte zumindest in der zehnten Partie am Sonntagabend Wirkung, als sich der unter einer Grippe leidende Kramnik 35 Züge um den Ausgleich mühte. Doch mit einer umsichtigen Verteidigung rettete der 25-jährige Leko erneut ein Remis. Vier fehlen dem kaum zu überwindenden Weltranglistensechsten noch, um seinen bereits im Alter von elf Jahren angekündigten Traum, "Weltmeister zu werden", wahr zu machen. Den Titel hätte Kramnik in diesem Fall dann wohl wegen eines Computers verloren. Der Weltmeister hatte in der achten Partie einmal mehr die Eröffnungszüge heruntergespult und brachte dann im 24. Zug ein genial wirkendes Damenopfer, anstatt durch eine Zugwiederholung das gewohnte Unentschieden zu erzwingen. Fatal dabei: Auf einem durchschnittlichen Rechner wähnen Schach-Programme Weiß durch das Damenopfer für einen nur halb so wertvollen Turm etwa eine Viertelstunde lang auf der Siegerstraße. Erst nach tieferem Schürfen ändern sie die Stellungsbewertung radikal und schwenken ins Lager von Schwarz um. Leko verbrauchte zwar fast seine komplette Bedenkzeit von zwei Stunden, fand aber die Widerlegung. Ein kurzer Ausbruch aus der Langeweile, weil Kramnik seinen Computer bei der Partievorbereitung zu früh ausgeschaltet hatte.