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Info-Mail Schach Nr. 447


Hallo Schachfreunde,

wichtige Ereignisse im Blindenschach stehen an. Morgen (Samstag, 02.07.2005)
starten die Damen und die Jugendlichen des Deutschen Blinden- und
Sehbehindertenschachbunds zur WM der Damen bzw. der Jugendlichen nach
Griechenland. Die kleine Stadt Eretria auf der zweitgrößten Insel des Landes
ist der Austragungsort der beiden Turniere. Ab dem 12.07.2005 übergeben die
Damen und die Jugendlichen dann den Staffelstab nahtlos an die Herren, die
dort den Mannschaftsweltcup austragen. Wie umfangreich wir über die
Ereignisse berichten können hängt davon ab, was aus Griechenland nach
Deutschland durchkommt. In der kommenden Woche werden die Mails - wenn
Material vorhanden ist - aus Augsburg von mir kommen. Ab dem 12. Juli wird
dann Herbert aus Leimen das Steuer übernehmen, da ich selbst in der
deutschen Mannschaft spielen werde.

Unten findet Ihr noch ein Ergebnis aus dem internationalen Blindenschach.
Piotr Dukaczewski gewann die polnische Blindenschachmeisterschaft. Der
Austragungsort und das genaue Datum sind mir leider nicht bekannt. Ganz am
Ende findet Ihr dann noch einen Artikel, der sich mit dem Match des
Engländers Michael Adams gegen das Schachprogramm Hydra beschäftigt, in
dem - wohl zum ersten Mal auf Weltniveau - der Mensch völlig unterging.

Ein schönes Wochenende wünscht
Toni aus Augsburg

Blindenschachmeisterschaft Polen 2005

 1   Dukaczewski,P 2347 10.5
 2   Zoltek, T      2305 10
 3   Gunajew, R     2272 9.5
 4   Wojcieszyn, Z  2163 8
 5   Chojnowski, M  2141 8
 6   Migala, A      2174 7.5
 7   Suder, R       2259 7.5
 8   Gosek, Z       2108 6.5
 9   Staruch, R     2010 6
10   Tatarczak, J   2131 5.5
11   Kulpinski, P   2074 5
12   Traczyk, T     1988 4
13   Kowalczyk, M   2060 3
14   Salamon, J     1857 0

Computerschach: Großmeister von Hydra deklassiert
(heise online - 28.06.2005 - von Lars Bremer)

Das Sechs-Partien-Match zwischen dem Weltranglistensiebten Michael Adams
und dem Schachcomputer Hydra endete für den Großmeister mit einem
Debakel -- ein einziges Remis steht fünf Niederlagen gegenüber, 0,5:5,5
lautet der Endstand. Weil Adams nach Resultat bezahlt wurde und für jeden
Sieg 25.000 und für jedes Remis 10.000 US-Dollar erhalten sollte, schwillt
sein Säckel nur um 10.000 US-Dollar.
Konnten Weltklasse-Großmeister bislang noch mit Hoffnung auf Erfolg gegen
Schachprogramme antreten, scheint den Schachcomputern mit Hydra ein großer
Sprung nach vorne gelungen zu sein. Kasparow verlor 1997 knapp gegen
DeepBlue, doch er stand in den meisten Partien auf Gewinn und verlor die
entscheidende letzte Runde durch eine äußerst unglückliche Eröffnungswahl;
Kramnik und wiederum Kasparow spielten unentschieden in Matches gegen
Fritz und Junior, wobei die Menschen auch diese Matches strategisch
dominierten, einige Partien souverän gewannen, andere ebenso souverän
remisierten und nur verloren, wenn sie sich mal verrechneten. Dass ein
Programm gegen einen Weltklassespieler durch überlegene Partieführung
gewonnen hat, war bislang die Ausnahme. Hydra dagegen überspielte Adams in
fast jeder Partie und gewann das Match nicht durch taktische Fehler des
Gegners, sondern durch überlegene Strategie, selbst wenn Adams ziemlich
offensichtlich auf Remis zu spielen versuchte. Ob das auch gegen Kasparow
oder Kramnik funktioniert, werden zukünftige Matches zeigen müssen; die
Elo-Leistung des Programms, das bis dato noch nie eine Nahschachpartie
gegen einen Menschen verloren hat, liegt in diesem Match jedenfalls mehr als
300 Punkte über der aktuellen Elo-Zahl Kasparows. Das entspricht etwa dem
Vorsprung, den Kasparow vor Nummer 35 der deutschen Rangliste hat. Zum
Vergleich: In Simultankämpfen schlugen sowohl Kasparow als auch Kramnik
die deutsche Nationalmannschaft.
Ganz ohne Sprüche geht es aber offensichtlich auch bei Hydra nicht. Auf der
Webseite des Projekts gibt der Hersteller stolz an, Hydra würde 200
Millionen Stellungen pro Sekunde berechnen (ebenso viele wie DeepBlue) und
den Spielbaum ungefähr sechs Züge tiefer durchsuchen als der IBM-Rechner.
Heute wie damals sagen solche Zahlen jedoch praktisch nichts über die
Fähigkeiten des Schachprogramms aus, denn durch die Parallelisierung werden
viele Stellungen mehrfach berechnet -- und auch mehrfach gezählt. Selbst bei
Single-Prozessor-Programmen sagt die Zahl der pro Sekunde berechneten
Stellungen gar nichts aus, denn am schnellsten wäre ein Programm, das ohne
jede Bewertung und ohne raffinierte Tricks den Suchbaum durchforstet. Jede
Technik, die den Suchbaum beschneidet, um die Suche effizienter durchführen
zu können, kostet Zeit und reduziert die Anzahl der berechneten Stellungen
pro Sekunde. So gewann beim c't-Schachduell  Shredder gegen
Fritz, obwohl Fritz fast dreimal so viele Stellungen pro Sekunde
berechnete wie Shredder.
Auch die Suchtiefe wäre nur ein Qualitätsmerkmal, wenn ein Programm brute
force alle Varianten gleich tief durchsuchen würde, was schon seit vielen
Jahren nicht mehr geschieht. Moderne Programme durchsuchen sehr viele
Varianten weit weniger tief, als es die angezeigte Suchtiefe vermuten ließe,
und berechnen andere Züge, die Erfolg versprechender scheinen, dafür viel
tiefer. Spannender als solche nichts sagenden Zahlen ist, dass massiv
parallele Programme nicht mehr deterministisch spielen, also bei gleichen
Einstellungen unterschiedliche Züge vorschlagen können, sofern mehrere
einigermaßen gleich gute Züge existieren. Dies geschieht, weil das Timing
der Kommunikation zwischen den einzelnen Prozessen von sehr vielen anderen
Dingen abhängt und das Programm deshalb immer unterschiedliche Suchbäume
abgrast.
Hydras hoher Matchsieg gegen einen Weltklassespieler katapultiert das
Programm in die absolute Weltspitze; es ist fraglich, ob irgendjemand noch
eine Chance dagegen hat. Ein Rekord bleibt aber noch für Hydra zu knacken:
1971 gewann der legendäre Bobby Fischer gegen die Nummer acht und gegen die
Nummer drei der damaligen Weltrangliste jeweils mit 6-0.

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