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Info-Mail Schach Nr. 629


Eröffnung der Ausstellung ½Zug um Zug»
Schach - Gesellschaft - Politik

(von Jochen Lehmensick, Godesberger SK)

Es ist schon etwas Besonderes, wenn unser geliebter Schachsport zum Thema
einer Ausstellung gemacht wird. Und noch dazu in einem so repräsentativen
Ambiente,
wie es das "Haus der Geschichte" nun einmal darstellt.
Bei Eröffnung konnte man dann auch Mitglieder der Schachvereine aus Bonn und
Umgebung zahlreich antreffen, aber natürlich hatten sich auch andere
herbeilocken
lassen; sei es, dass sie ebenfalls Liebhaber des "Königlichen Spiels" waren
oder dass sie eben zu denen gehörten, die möglichst alle Ausstellungen im
Haus
der Geschichte zu besuchen pflegen. Jedenfalls war zu Beginn die
Eingangshalle mit ca. 150 Besuchern gut gefüllt und mancher musste schon den
Kopf hochrecken,
um alles, was auf dem Podium geschah, mitzubekommen.
Dort ging es auch schon mit einem konzentrierten, kurz gehaltenen Vortrag
los, der sachkundig über  die Vorarbeiten zu der Ausstellung informierte,
dann
aber gleich in das Programm einführte. Dieses startete mit einem Gespräch
zwischen Großmeister Victor Kortchnoi und dem insbesondere den
"Fritz-Programm"-Benutzern
bekannten Kabarettisten Matthias Deutschmann:
Leider verlief die Unterhaltung dann etwas mühselig. Kortchnoi zeigte sich
bei mehreren ihm  gestellten Fragen irritiert. Anscheinend hatte er mit
einer
anders akzentuierten Thematik gerechnet. Obwohl er sehr gut Deutsch sprach,
war natürlich zu spüren, dass dies eben nicht seine  Muttersprache ist. Es
wurden unter anderem die längst vergangenen Dinge seiner imposanten
Schachkarriere angesprochen, wobei deutlich wurde, dass sich immer wieder
die Politik
in sehr  zweifelhafter Weise in das Schachleben eingemischt hatte (Kortchnoi
wurde bekanntlich, seit er in den siebziger Jahren von einem Schachturnier
in Holland nicht in die Sowjetunion zurückkehrte, von  den Sowjet-Oberen
viele Jahre lang verfemt). Natürlich war den Schachkennern Einiges bereits
bekannt,
trotzdem erfuhr sicherlich jeder Schachkenner die eine oder auch die andere
Neuigkeit (gelegentlich in anekdotischer Form), die Kortchnoi dann zumeist
in seiner ihm eigenen Art mit einer markanten Bewertung versah. Und so waren
alle erfreut, den alten, vielerprobten Schach-Haudegen, der bekanntlich nach
seiner Flucht Bürger der Schweiz geworden ist und der nun schon viele Jahre
lang Bonn nicht mehr besucht hatte, im Rahmen dieser Ausstellung einmal
leibhaftig
erleben zu können.
Anschließend kam nun das, worauf die Schach-Enthusiasten schon gewartet
hatten: Der inzwischen 75-jährige, der jetzt gerade Senioren-Weltmeister
geworden,
hatte sich in zwei Blitzpartien zu einem zünftigen Duell zu stellen.
Eigentlich sollte es ja ein Politiker sein - - Aber da sich offenbar von
denen keiner
getraut hatte  verständlich!), war es nun eben an dem Gesprächspartner,
immerhin einem ehemaliger Bundesligaspieler, sein Glück zu versuchen.
Während die
Kontrahenten auf dem Podium spielten, wurden die Züge automatisch auf ein
Demonstrationsbrett übertragen; ebenso der jeweilige Zeitverbrauch. Alle
konnten
also dem Ablauf gut folgen. Über den Ausgang konnte allerdings eigentlich
kein Zweifel erlaubt sein. Umso überraschter war die Bonner Schach-Elite,
als
in beiden Partien nach einigen Hin und Her Kortchnoi in eine heikle,
vielleicht sogar nachteilige Position geriet: Sollte es doch eine
Überraschung geben?
- Aber es genügte jedes Mal ein Blick auf
 die Anzeige des Zeitverbrauchs: Deutschmann hatte schon bald nur noch
wenige Sekunden übrig. Kein Gedanke daran, Remis zu halten, geschweige denn
irgendeinen
eventuellen Vorteil zum Sieg zu verdichten! - Rückblickend hatte man dann
eben doch den Eindruck, dass Kortchnoi, der nur wenig Zeit verbraucht hatte,
durchaus die ganze Zeit Herr der Lage gewesen war. Jedenfalls hatte es für
 die Zuschauer zwei spannende Kampfpartien gegeben und die Kontrahenten
wurden mit dem ihnen gebührende Applaus verabschiedet.
Man verteilte sich nun. Die einen gingen sofort in die Ausstellung, die
anderen bevorzugten vorerst  das Gespräch bei einem Umtrunk.
Einen Besuch der  Ausstellung , die bis zum 11. 2. (Di - So; 9 - 19 Uhr) zu
sehen ist, kann ich durchaus empfehlen. Im kleinen Seitenflügel des Museums
sind ca. 400, sehr unterschiedliche  Ausstellungsstücke zu besichtigen:
Schachfiguren, Fotografien, Poster, Zeichnungen, Buch- und
Zeitungsausschnitte
und noch manches andere. Es gibt einen kleinen Vorführraum, in dem Filme zum
Thema "Schach" vorgespielt werden. Der Zeit-Bogen ist weit gespannt. Er
reicht
von den Arabern und  dem Mittelalter bis hin zum Missbrauch des Schachs von
Diktaturen und weiter bis ins heutige  Computer-Zeitalter. Aber was soll ich
viel sagen? Geht hin und lasst euch überraschen!

Ergänzung von Ewald Heck (Troisdorf)
Wir waren am 5.11.2006 im Haus der Geschichte und haben die Ausstellung
besucht. Es bedarf vieler Beschreibungen, um die Ausstellung einem
Nichtsehenden
zu erschließen, da die meisten Exponate hinter Glas oder in Vitrinen
gelagert sind. Unter anderem werden alte Handschriften und Bücher
ausgestellt. Es
gibt die Möglichkeit, akustische Zeitdokumente über WM-Kämpfe und
Buchausschnitte und anzuhören. Ausgestellt sind auch die beiden Sessel und
der Tisch
(hinter Glas) vom WM-Kampf 1972, die von Fischer und Spassky verwendet
wurden.

Anreise per U-Bahn U16 und U63 Bis Haltestelle "Heuss-Allee"/Museumsmeile".
Die Treppe führt - ohne ins Freie gehen zu müssen - ins das Haus der
Geschichte.

Webseite:
www.hdg.de

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