Schach NachrichtenDORTMUNDER SPARKASSEN CHESS-MEETING 2008 (28.06.-06.07.) Zum Auftakt den Favoriten - (Quelle www.chessbase.de) Am Samstag beginnt das Dortmunder Sparkassenturnier, eines der stärksten und bedeutendsten Turniere der Welt. Dieses Jahr sind gleich zwei Deutsche unter den acht Teilnehmern: Neben Arkadij Naiditsch ist der Hamburger Jan Gustafsson dabei. Wie gut der Hamburger in dem Feld mithalten kann, zeigt sich womöglich gleich zu Beginn: Das Los hat ihm in Runde 1 niemand anderen als Wladimir Kramnik beschert, achtfacher Sieger in Dortmund und allein schon deshalb Favorit. Kramnik und Gustafsson haben eine ganze Menge gemeinsam: Beide sind keine großen Freunde riskanten Spiels, beide neigen eher zum positionellen als zum taktischen Schach - und beide sind am gleichen Tag geboren. Dagobert Kohlmeyer schickt einen Bericht zum Auftakt des Dortmunder Sparkassenturniers. Ein Pokerface prüft die Schachstrategen: Bei den Dortmunder Schachtagen, die am Samstag beginnen, lassen wieder acht renommierte Großmeister ihre Figuren tanzen. Neben den bekannten Stars wie Wladimir Kramnik (Russland), Peter Leko (Ungarn) oder Lokalmatador Arkadij Naiditsch will der Hamburger Jan Gustafsson als Neuling das Feld aufmischen. Noch nie in seiner Karriere hatte der Großmeister bislang die Gelegenheit, ein so hochkarätiges Rundenturnier zu bestreiten. Jan Gustafsson wurde am Mittwoch 29 Jahre alt, ist also kein heuriger Schachhase mehr. Am gleichen Tag hatte übrigens auch Kramnik Geburtstag, der 33 wurde. Und beide Spieler, so will es die Auslosung, treffen zum Auftakt im Schauspiel aufeinander, wobei Jan die weißen Steine führen wird. Kann es einen besseren Anfang des Sparkassen Chess Meetings geben? "Hallo! Lasst euch von dem schwedischen Namen nicht täuschen, ich bin Hamburger". So stellt sich Gustafsson auf einer Webseite vor. Der große Blonde ist in der Tat ein waschechter Deutscher. Seine schachlichen Wurzeln liegen beim Hamburger Schachklub, wo er in der 1. Bundesliga seit einem Jahrzehnt Stammspieler ist. Bereits als Jugendlicher feierte Jan beachtliche Erfolge auf nationaler Ebene, gewann mehrere Einzel- und Mannschaftsmeisterschaften. 2003 wurde er vom Weltschachbund FIDE zum Großmeister ernannt. Ein Jahr davor gab Gustafsson bei einem Freundschaftskampf gegen Griechenland seinen Einstand im deutschen Nationalteam. 2004 und 2006 spielte er in der DSB-Auswahl bei den Schacholympiaden in Calvia und Turin. Für Bundestrainer Uwe Bönsch ist der Hamburger eine feste Größte zur diesjährigen Olympiade in Dresden. Besonders schätzt der Coach an Jan, dass er sein umfangreiches Eröffnungswissen mit anderen Spielern teilt und in Seminaren an seine Kollegen weitergibt. Gustafsson ist auch ein sehr starker Blitzspieler und wurde in dieser Disziplin 2001 deutscher Meister. Neben dem Schach gehört seine Liebe dem Pokerspiel, wo er überaus erfolgreich ist und auch ein Buch veröffentlicht hat. Pokern bringt dem Hamburger ungleich mehr Geld ein als die eher bescheidenen Einnahmen im Schachzirkus. Weltweit fahren inzwischen viele Großmeister zweigleisig wie Gustafsson. Der Trainer akzeptiert diese Kombination stillschweigend. "Es ist seine Privatsache", so Uwe Bönschs Kommentar. Seine gute schachliche Form unterstrich Jan Gustafsson im April bei der Europameisterschaft im bulgarischen Plowdiw, wo er als einziger deutscher Spieler die Qualifikation für den Weltcup der FIDE schaffte. Dieses Turnier ist die Vorrunde zur nächsten Weltmeisterschaft. Kann der Pokerspieler den etablierten Schachstars schon im Dortmunder Schauspielhaus ein Bein stellen? In Runde 1 wartet, wie eingangs erwähnt, mit dem achtfachen Dortmund-Gewinner Wladimir Kramnik schon der dickste Brocken auf ihn. Aeroflotsieger spielt mit Mit dem russischen Großmeister Jan Nepomniachtchi stellt sich ein weiterer Neuling in Dortmund vor. Er ist ein Altersgenosse der jungen Weltklasseleute Magnus Carlsen (Norwegen) und Sergej Karjakin (Ukraine), die in den vergangenen Jahren schon im Sparkassen Chess Meeting ihr Können gezeigt haben. Durch seinen Sieg beim diesjährigen Aeroflot Open in Moskau erhält der 17-jährige Nepomniachtchi jetzt ebenfalls diese Chance. Noch nie konnte ein so junger Spieler das renommierte Turnier in der russischen Hauptstadt gewinnen. Jan kassierte nicht nur ein Honorar von 30 000 Dollar, sondern löste damit auch die Fahrkarte nach Dortmund, was noch wichtiger als die Siegprämie sein dürfte. Bei seiner Premiere im Schauspielhaus hat das Nachwuchstalent nun die Möglichkeit, erstmalig in einem Superturnier mit den Etablierten der Szene die Kräfte zu messen. Jan stammt aus dem russischen Brjansk und erlernte das Schachspiel bereits mit viereinhalb Jahren. Er ist in einer intellektuellen Familie aufgewachsen, sein Großvater Boris Nepomniachtchi war ein bekannter Lyriker. Schon früh wurde die Schachbegabung des Jungen entdeckt und gefördert. Jan gewann im Nachwuchsbereich viele russische und internationale Meistertitel. Seit dem vorigen Jahr trägt er den Großmeistertitel. Jan Nepomniachtchi hat einen aktiven Spielstil, er strebt am Schachbrett immer nach der Initiative. In jüngster Zeit hat er weiter hart gearbeitet und an Wettkampfhärte sowie psychischer Stabilität gewonnen. Der freundliche junge Mann lebt heute in Moskau, wo er Journalistik studiert. Die Zuschauer im Schauspielhaus können sich auf das neues Gesicht freuen und live verfolgen, ob der Jungstar den Großen der Zunft Paroli bieten kann. Wasjas dritter Frühling Mit Wassili Iwantschuk sehen die Freunde des königlichen Spiels im Revier einen alten Bekannten wieder. Der ukrainische Großmeister erlebt gerade seinen dritten Schachfrühling. Seit zwei Jahrzehnten gehört Iwantschuk zur absoluten Weltspitze. Er hat fast alle wichtigen Turniere gewonnen, darunter dreimal das Treffen der Weltelite in Linares. Auch in den Schachhochburgen Wijk aan Zee, Tilburg, Biel und Nowgorod trug sich der Mann aus Lwow in die Siegerliste ein. Beim legendären 20. Sparkassen Chess Meeting 1992 in Dortmund teilte Iwantschuk mit Garri Kasparow den ersten Platz. Seither war er häufig zu Gast, sein letzter Auftritt im Schauspielhaus liegt jedoch schon zehn Jahre zurück. Iwantschuk ist ein fantasievolles Schachgenie mit unglaublichem Gedächtnis. Er hat die jeweiligen Stellungen so fest im Kopf, dass er während einer Partie oft ins Leere und nur wenig auf das Brett sieht. Auch als wertvoller Mannschaftsspieler machte er sich einen großen Namen. Wassili Iwantschuk spielte bei zehn Schacholympiaden, und holte 1988 und 1990 mit der Sowjetunion Gold. 2004 gelang ihm dieses Bravourstück mit der Ukraine. Zwei Jahre davor gewann er mit dem Team seines Heimatlandes auch die Mannschaftsweltmeisterschaft. Im Jahre 2004 wurde Iwantschuk Einzel-Europameister, im letzen Herbst Weltmeister im Blitzschach. Nur der WM-Titel im Normalschach fehlt ihm noch. Im Januar 2002 war er auch diesem Ziel ganz nahe, scheiterte im Finale jedoch an seinem jungen Landsmann Ruslan Ponomarjow und an den eigenen Nerven. In letzter Zeit hat Iwantschuk wieder zur alten Beständigkeit gefunden und eine Reihe hochkarätiger Turniere für sich entschieden. Seinen jüngsten Erfolg erzielte er im Mai in Sofia, als er mit fünf Gewinnpartien begann und den dortigen Seriensieger Weselin Topalow distanzieren konnte. Die Schachfreunde in Dortmund freuen sich auf das Wiedersehen mit Wassili Iwantschuk, der seine beeindruckende Erfolgsbilanz zu gern durch einen Triumph beim stärksten Schachturnier auf deutschem Boden ausbauen möchte. (von Dagobert Kohlmeyer)