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Info-Mail Schach Nr. 849


Schnellschach-Match: Ewald Heck bezwingt Peer Steinbrück

(von Ewald Heck, Troisdorf)

Die Schach-AG des Konrad-Adenauer-Gymnasiums Langenfeld hatte am Freitag,
29.08.2008 mit dem Bundesminister für Finanzen, Peer Steinbrück, einen
wahrhaft prominenten Gast eingeladen. Es war bereits nach 2003 das zweite
Mal, dass Peer Steinbrück der Einladung der Jugendlichen gefolgt war.

Kersten Linke, der im KAG Langenfeld eine Schach-AG leitet, hatte auch einen
Vertreter unseres Blinden- und Sehbehinderten-Schachklubs Köln-Bonn
eingeladen. Gerne habe ich die Einladung angenommen. Meine Frau Erika hat
mich begleitet und die Fotos für diesen Bericht beigesteuert. Seit einigen
Jahren pflegt unser Schachklub Kontakte zu den Schülern und wir treffen uns
zweimal jährlich zu Schachturnieren.

Im Vorfeld der Veranstaltung wurde wenig über Einzelheiten publik. "Aus
Sicherheitsgründen war das so abgesprochen worden", meinte Kersten Linke,
der wegen der knapp bemessenen Zeit des Gastes einen straffen Zeitplan
erstellt hatte:

12:30 Uhr:  Begrüßung

12:40 Uhr Schnellpartie mit Katharina Geuer

13:00 Uhr Fragerunde der Schüler

13:20 Uhr Schnellpartie mit Daniel Siebel

13:25 Uhr Test: Erkennt der Bundesfinanzminister Banknoten und Münzen?

13:50 Uhr Schnellpartie mit Ewald Heck

14:20 Uhr Abschlussgespräch

14:30 Uhr Verabschiedung des Gastes

Bereits um 11:30 Uhr liefen die Vorbereitungen im Spielraum auf Hochtouren.
PCs wurden für die vorgesehene Live-Übertragung hochgefahren, das Demo-Brett
vorbereitet, Bretter aufgebaut, Tische gerückt, Getränke und Snacks parat
gestellt und eine Generalprobe für die Fragerunde vorgenommen. Bereits um
12:15 Uhr war klar, dass der schöne Plan nicht eingehalten werden konnte:
Steinbrück hatte sich verspätet und die Sicherheitskräfte waren noch nicht
mit der abschließenden Inspektion der Räumlichkeiten fertig. Aber um 12:50
Uhr betrat dann endlich der prominente Gast den Spielsaal, der mit
Schachbrettern und einem großen Demo-Brett ausgestattet war. Von vielen
Schülern, Lehrkräften und Gästen wurde er mit Applaus begrüßt und Steinbrück
dankte den Schülern für die Einladung. Und dann ging es auch schon ans
Brett, um die erste Partie zu spielen.

In der ersten Schnellpartie (2 x 10 Minuten) gegen Katharina Geuer zeigte
Peer Steinbrück seine Qualitäten als fix agierenden Schachspieler und
bezwang die Schülerin nach ca. 15 Minuten. In der anschließenden Fragerunde
hatten sich die Schülerinnen und Schüler der Schach-AG viele Fragen zu
politischen, wirtschaftlichen und aktuellen Themen der Gegenwart ausgedacht,
die von Peer Steinbrück sachlich fundiert, verständlich und teilweise mit
Humor gewürzt beantwortet wurden. Unter anderem wurden Fragen zur
langfristigen Sicherstellung und Entwicklung der Öl-, Gas-, Atom- und
Alternativenergie, Lebenshaltungskosten, Euro/Teuro und vieles andere mehr
beantwortet. Zu seinem Arbeitspensum meinte er, dass eine tägliche
Arbeitszeit von 12 Stunden und mehr oder 6 bis 8 Termine pro Tag nicht
ungewöhnlich seien.

In der darauf folgenden zweiten Schnellpartie gegen den stark aufspielenden
Daniel Siebel reichte die Bedenkzeit nicht aus. Einige Autogrammjäger
stürmten herein und lenkten ihn ab. Steinbrück verlor wegen
Zeitüberschreitung, was ihn sichtlich irritierte. "Mit Freunden spiele ich
gelegentlich eine Partie, aber da lassen wir uns viel mehr Zeit.
Schnellpartien bin ich nicht gewohnt" meinte der Finanzminister.

Mittlerweile näherten sich die Zeiger der Uhr der zweiten Stunde und Peer
Steinbrück setzte sich mir gegenüber ans Brett, das ich bereits aufgebaut
hatte. Mit Kersten Linke hatte ich abgesprochen, den Bundesfinanzminister
einem kleinen Test zu unterziehen: "Können Sie Geldmünzen bestimmen, ohne
hinzugucken?" lautete meine Frage. Ich gab ihm mein restliches Taschengeld
fürs Wochenende von 1,80 Euro, das er nach einer Weile zurückschob: "Da muss
ich leider passen, ohne hinzusehen geht das nicht! Sie sind dafür bestimmt
sehr sensibilisiert!"

Meine anfängliche Aufgeregtheit hatte sich zwischenzeitlich gelegt und der
Puls ging wieder ruhig. Als kleine Aufmerksamkeit hatte ich eine gute
Flasche Rotwein mitgebracht, die ich ihm mit den Worten, er möge sie bei
einer schönen Partie Schach und einem guten Freund genießen. Er dankte und
versprach, sie in einer Mußestunde zu entkorken. Auf meine Frage, ob ich
eine Bitte äußern dürfte, ermunterte er mich: "Nur raus mit der Sprache!"
Ich bat ihn, ob er als Schirmherr des Schach-WM-Matches zwischen Kramnik und
Anand, das im Oktober 2008 in der Bundeskunsthalle Bonn stattfindet, es
ermöglichen könne, mir zwei Karten zukommen lassen könnte. Er versprach,
sich dafür bei der Veranstaltungsleitung zu bemühen.

Inzwischen waren wir von vielen Zuschauern umringt. "Ich habe aber noch nie
mit einem blinden Schachspieler gespielt, wie geht denn das? Woher wissen
Sie denn, wieviel Bedenkzeit Sie übrig haben?" Ich erklärte Peer Steinbrück
kurz die Grundregeln des Zweibrettspiels mit Ansage der Züge, dem Setzen der
Figuren usw. Schließlich zeigte ich ihm noch die Blindenschachuhr, die ich
mitgebracht hatte.  Anja, eine Gymnasiastin des KAG, bot an zu assistieren
und meine Züge auf dem Brett des Bundesfinanzministers auszuführen. Tja, und
dann gings los. Ich hatte die weissen Steine. Die Ansage der Züge klappte
hervorragend, als ob wir das schon immer gemacht hätten. Als Eröffnung hatte
ich mir ein System vorgenommen, das mir für Schnellpartien gut geeignet
schien: Für die ersten 10, 12 Züge brauchte ich nur zwei, drei Minuten
Bedenkzeit und konnte im Mittelspiel mehr Zeit investieren. Nach ca. 20
Zügen kam ich zu einem schönen Angriff bei etwas passiver Stellung meines
prominenten Gegners. Irgendwann ritt mich der Teufel und ich hatte vor, die
Taktik zu Wort kommen zu lassen. Ich investierte ein, zwei Minuten und zog
einen Springer, der von seinem Bauern geschlagen werden konnte, jedoch mit
bösen Folgen für ihn. Mein Kontrahent bemerkte aber diese Falle. Ich stellte
jedoch sehr bald fest, dass ich nicht alle möglichen Antworten eingerechnet
hatte .... Steinbrück überlegte einige Minuten in dieser sehr komplizierten
Stellung und machte einen noch größeren Fehler, der eine Figur kostete,
worauf er sofort aufgab und mir gratulierte. "Na, dann sehen wir uns ja bald
in Bonn wieder!" verabschiedete er sich. Leider wurde mir einige Tage nach
der Veranstaltung mitgeteilt, dass die Partieaufzeichnungen nicht gesichert
worden sind - schade!

Wenige Minuten später verließ Peer Steinbrück in Begleitung seiner
Mitarbeiter und der Sicherheitskräfte den Spielraum und eilte nach
Düsseldorf, dem nächsten Termin entgegen. Mir hat die Veranstaltung viel
Spass gemacht. Sie war gut von den Schülern der Schach-AG und von Kersten
Linke vorbereitet und inszeniert worden, dem ich an dieser Stelle nochmals
für die Einladung danke. Wann bekomme ich schon mal wieder Gelegenheit, mit
dem Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland eine Partie zu spielen?

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