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Info-Mail Schach Nr. 1303


Doping in der Schach-Bundesliga
Beschiss auf dem stillen Örtchen
(von Hartmut Metz - Quelle: taz.de)

Weil in der Bundesliga heimlich auf Smartphones geschielt wird, sollte sich 
ein Spieler jetzt einer Taschenkontrolle unterziehen. Doch sein Handy rückte 
er nicht raus.

Die heikle Angelegenheit ging auf dem Klo über die Bühne. Das liegt sicher 
nicht daran, dass die Schachspieler auf ihren Formularen die kleine Rochade 
mit "0-0" notieren. Beschiss auf dem stillen Örtchen hat erst Konjunktur, 
seit die Smartphones immer leistungsstärker werden und passable Programme 
auf diesen laufen. Im Vorjahr überschattete ein Betrugsfall die deutsche 
Einzelmeisterschaft: Der sächsische Champion Christoph Natsidis wurde nach 
erstaunlichen Resultaten überführt.

Seit dem letzten Spieltag steht nun auch der Vorwurf im Raum, dass es in der 
Schach-Bundesliga elektronisches Doping gibt. Im Mittelpunkt: Sebastian 
Siebrecht (Katernberg), der seinerzeit auch zur Enttarnung von Natsidis 
beigetragen hatte. Diesmal geriet Falko Bindrich ins Visier. Obwohl 
Siebrecht schnell einen Zug machte, fand sich sein Eppinger Gegner nicht am 
Brett ein.

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Die Mülheimer Daniel Fridman und Pawel Tregubow, die an diesem 
Doppelspieltag auch vor Ort waren, unterstellten Bindrich Betrug. Tregubow 
hatte am Vortag gegen den nominell schlechteren Bindrich verloren und war 
entsprechend sensibilisiert. Die selbsternannten Fahnder suchten ihn 
umgehend - und fanden ihn auf der Herren-Toilette.

Kurz nach 10.30 Uhr veschwunden
Wegen Tregubows Verdächtigungen vom Samstag behielt Schiedsrichter Dieter 
von Häfen Bindrich am Sonntagmorgen besonders im Auge. Kurz nach Spielbeginn 
sei der Sachse erstmals verschwunden, "kurz nach 10.30 Uhr war er wieder weg", 
eine Viertelstunde später nochmals. Weil nun auch Siebrecht misstrauisch 
geworden war, entschloss sich der Schiedsrichter zu einer "Taschenkontrolle".

Als Bindrich aus den sanitären Anlagen kam, forderte ihn von Häfen dazu auf. 
Der 22-Jährige zeigte sich trotz des laut Reglement legitimen Vorgehens 
"entrüstet" und rückte sein Smartphone nicht heraus. Bindrich begründete 
dies mit "privaten Bildern und sensiblen Geschäftsdaten", die er nicht 
herzeigen wolle. Selbst der Eppinger Kapitän Hans Dekan konnte seinen 
Spieler nicht zur Herausgabe des Handys bewegen.

Obwohl der Schiedsrichter den Vorschlag machte, er möge nur kurz auf das 
Smartphone schauen und das Schachprogramm überprüfen, verweigerte sich der 
Großmeister standhaft. Dem Unparteiischen blieb folglich nur, Bindrich zu 
nullen, ihn also verlieren zu lassen. Titelanwärter Eppingen büßte durch ein 
3,5:4,5 gegen Außenseiter Katernberg wichtige Punkte ein und verzichtet bis 
zur Klärung der Vorfälle auf weitere Einsätze des Spielers aus Zittau.

Auch die Spülung betätigt
Immerhin hat der 4,5:3,5-Sieg tags zuvor über Mülheim-Nord Bestand. 
Schiedsrichter von Häfen hatte beim Saisonauftakt am Samstag nicht genügend 
Verdachtsmomente, weil der Großmeister "gegen 14.30 und 15.30 Uhr die 
Toilette aufgesucht und auch die Spülung betätigt" hatte. Danach blieb 
Bindrich drei Stunden lang dem stillen Örtchen fern. "Dies hielt ich für 
eine normale Zeit zwischen zwei Toilettengängen", notierte der Referee in 
seinem Bericht.

Bindrich verteidigt sein Vorgehen. Ihn widere das "Verfolgen, Abhorchen und 
Ausspionieren" bis aufs stille Örtchen an. Er reklamiert 
"Rechtsstaatlichkeit" und spricht sich gegen diese "Schikane" aus. Der 
22-Jährige bestreitet Manipulation, schließlich sei ihm gegen Tregubow 
"keine Glanzleistung" gelungen. Allerdings ist Bindrich auf einem 
Schachserver schon einmal Computerbetrug nachgewiesen worden, als er 
Exweltmeister Garri Kasparow geschlagen und exorbitante Resultate erzielt 
hatte, so berichtet es jedenfalls Siebrecht.

Damals gab es kein vermeintlich entlastendes Indiz wie am Sonntag: Der 2,02 
Meter große Siebrecht ging beim aktuellen Fall in die Knie und schaute unter 
der Toilettentür nach der "richtigen Fußstellung", wie Bindrich pikiert 
vermerkt.

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