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Info-Mail Schach Nr. 1333


Schach im ewigen Eis bei Minus 80 Grad

Impressionen von einer Fernschachpartie mit dem Südpol

(von Ewald Heck, Troisdorf)



 Sechs Monate Dunklheit, Temperaturen von Minus 80 Grad Celsius, Eis, 
Schneestürme und nur einmal im Jahr ein Sonnenaufgang - Altag für die 
Mitarbeiter der Amundsen-Scott-Forschungsstation auf dem Südpol.



Durch eine Initiative von Kersten Linke, der beim Konrad-Adenauer-Gymnasium 
Langenfeld eine Schach-AG leitet, bekam ich Kontakt zu einem deutschen 
Physiker, der in der Amundsen-Scott-Forschungsstation auf dem Südpol tätig 
ist. Unser gemeinsames Hobby Schach war Anlass für eine Schachpartie, die 
per e-Mail geführt wurde. Dabei konnte ich viele interessante und 
wissenswerte Eindrücke vom Leben in einer Forschungsstation gewinnen:



Vom Urknall und der kosmishen Hintergrundstrahlung

Ende August wird es langsam hell am Horizont und einige Wochen später geht 
am Südpol für 6 Monate die Sonne auf. Momentan ist dort Winter, das bedeutet 
6 Monate lang Dunkelheit. Nur wenn die Winterstürme und Schneegestöber 
nachlassen, blinken tausend Sterne am Himmel. Dann steht Robert Schwarz, mit 
dem ich seit April Schach per e-Mail spiele, im Freien und freut sich über 
die tollen Fotos vom klaren Nachthimmel. Der deutsche Physiker befindet sich 
bereits zum 10. Mal am Südpol. Er untersucht die kosmische 
Hintergrundstrahlung, die beim Entstehen des Universums durch den Urknall 
entstanden ist. 13,8 Milliarden Jahre sind die aufgefangenen Signale alt, 
bevor sie die Erde erreichen. die Hintergrundstrahlung zeigt das 
Baby-Universum als es 380000 Jahre alt war. Physiker gehen von der Theorie 
aus, dass das Universum einst noch viel kleiner als ein Atomkern war, ohne 
Ausdehnung aber mit unendlicher Dichte aber endlicher Masse. Sehr 
kompliziert! Der Blick zurück in die Unendlichkeit von Raum und Zeit wird 
mit einem Mikrowellen-Teleskop vorgenommen. Es liegt rund einen Kilometer 
von der Station entfernt. Um sich in der Dunkelheit nicht zu verirren, sind 
alle 7 Meter Bambusstangen mit einer Fahne ins Eis geramt.



Leben wie auf einm anderen Planeten

Menschen und Maschinen sind bei Temperaturen von knackigen -80 bis 
frühlingshaften -30 Grad besonderen Bedingungen unterworfn. Leben gibt es 
außer Bakterien keines. Die Forschungsstation liegt auf gut 3.000 Meter über 
dem Meeresspiegel, steht auf einem 3 Kilometer dicken Eispanzer und ist von 
der Küste 1.400 km entfernt. Das klingt gigantisch. Auch in der Antarktis 
ist die Eisschmelze besorgniserregend fortgeschritten, allerdings noch nicht 
so extrem wie im Norden, schreibt mein Fernschachpartner. Strom wird durch 
kerosinbetriebene Generatoren erzeugt; Benzin würde einfrieren. Auch Raupen 
und Bagger werden mit Kerosin betankt. Der Witz: Neuerdings gibt es 
Kühlschränke statt (wie früher) beheizte Boxen! Die von den USA betriebene 
Station wird in den Sommermonaten durch Flugzeuge mit allem erdenklichen 
Material versorgt, was die Menschen am Südpol benötigen. Im Winterhalbjahr 
werden rund 1,2 Millionen Liter Kerosin verbraucht. Die Station ist sogar 
für kleinere medizinische Eingriffe eingerichtet.



Wie lebt es sich am Südpol?

In diesem Winterhalbjahr befinden sich knapp 50 Personen aus aller Herren 
Länder "an Bord", darunter 12 Wissenschaftler.  Jeder in der Crew ist mal 
mit Küchendienst dran: Gespült wird von Hand, auch beim Kantine putzn und 
Tische wischen wird alle 3 Wochen abgewechselt. Für den sportlichen 
Ausgleich sorgt eine Turnhalle und ein kleines Fitnessstudio. Auch eine 
Sauna, Bücherei und 2 Fernsehräume sind vorhanden. Robert Schwarz informiert 
sich täglich über das Tagesgeschehen daheim in Oberbayern und liest 
Spiegel-online und das Garmisch-Partenkirchener Tageblatt. Auch wenn er mit 
der dauernden Dunkelheit gut zurecht kommt, freut Robert Schwarz  sich schon 
jetzt, wieder Vögel hören zu können, Feld und Wald zu riechen, frisches Obst 
kaufen zu können und mal ausgiebig zu duschen: "Duschen ist auf 2 mal 2 
minuten pro Woche beschränkt, denn das Eis zu schmelzen verbraucht sehr viel 
Energie". In so einer lebensfeindlichen Umgebung lernt man, sich über die 
kleinen Dinge des Lebens zu freuen. Die Station hat ein kleines aber sehr 
ergiebiges Gewächshaus, das die Bewohner mit Vitaminen versorgt. Wegen des 
fehlenden Sonnenscheins wird der Mangel an UV-Strahlung durch 
Vitamin-D-Präparate ausgeglichen.



Grillfete bei 60 Grad Minus?

Während in Skandinavien das Sommerwendfest stattfindet, wird in der 
Antarktis eine Midwinter-Party gefeiert! Traditionell wird ein Gruppenfoto 
gemacht und eine Einladung

An alle auf der Antarktis befindlichen Stationen zum grossen Festessen 
geschickt. Alle laden sich gegenseitig ein. Jeder weiss, dass bei der 
Witterung und den

Entfernungen niemand kommen wird, aber eine nette Geste ist es allemal. 
Grillen ist schwierig am Südpol. Zum Kohle anzünden ist ein Schweissbrenner 
nötig! Einige Male im Winterhalbjahr greift Robert Schwarz zu Schneebesen 
und Pfanne, wenn es mal Leckeres aus heimischen Gefilden geben soll. Dann 
stehen Dampfnudeln mit Vanillesauce, Spätzle mit Jäger und 
Zigeunerschnitzel, Szegediner Gulasch und Brezen auf dem Speisezettl. Das 
highlight im August sind Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat.



Auch wenn Robert Schwarz auf seiner Website   www.antarctic-adventures.de
schreibt, "Antarctica - best place on Earth", wird er sich vermutlich 
freuen, im Herbst wieder daheim sein zu können. Bis dahin haben wir Zeit, 
die zweite Fernschachpartie zu spielen. Die erste endete zu meinen Gunsten. 
Ich freue mich auf einen regen Austausch von Gedanken und interessantem 
Wissen.

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